© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/18 / 02. Februar 2018

Gegen Kampagnen und Antisemitismus
Österreich: Das Liederbuch einer Schülerverbindung prägt die Landtagswahl in Niederösterreich / FPÖ punktet trotz Angriffen
Curd-Torsten Weick

Tiefstapeln lohnt sich. Kurz vor der Landtagswahl in Nieder-österreich (NÖ) hatte die ÖVP-Spitzenkandidatin Johanna Mikl-Leitner die Möglichkeit verneint, die absolute Mehrheit ihres Vorgängers Erwin Pröll wieder erreichen zu können. Die in Umfragen prognostizierten 45 Prozent wären ein „sensationelles Ergebnis“, so die ehemalige Innenministerin. 

Nun habe man mit 49,6 Prozent und der absoluten Mehrheit allerdings ein „überwältigendes Ergebnis“ erzielt. Vor den ORF-Kameras ließ sich die 53jährige von ihren Anhängern in St. Pölten feiern. Erneut propagierte sie ihren Kurs des Miteinanders. Mit einer Ausnahme: mit FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer – das hatte sie vor der Wahl erklärt –, aber auch anderen FPÖ-Politikern werde es in der niederösterreichischen Landesregierung keine Zusammenarbeit oder ein Arbeitsübereinkommen geben. Dabei sei sie mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der auf Bundesebene mit der FPÖ koaliert, auf einer „ganz klaren Linie“ einig. In dieser „sehr sensiblen Angelegenheit, wo es schwerwiegende Vorwürfe“ gebe, sei wichtig, daß es eine „vollkommene Aufklärung“ gebe.

Strache für  Historikerkommission 

Landbauer konterte. Er habe als allererster eine gerichtliche Aufklärung gefordert, seine Mitgliedschaft in der pennalen Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt „zurückgelegt“. Und überhaupt sei er elf Jahre alt gewesen, als das Liederbuch im Jahr 1997 herausgegeben wurde. 

Fünf Tage vor der NÖ-Wahl hatte das Wiener Stadtmagazin Falter getitelt: „‘Wir schaffen die siebte Million’ – Die Burschenschaft des FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer treibt ihre ‘Späße’ über die Schoah“. Dem Falter sei es gelungen, „an ein Exemplar des Germania-Liederbuchs zu kommen“, erklärt Autorin Nina Horaczek. Dann folgen Zitate: „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ‘Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.’ So steht es geschrieben auf Seite 182 des Liederbuchs der pennalen Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, einer Mittelschulverbindung mit dem einschlägigen Leitspruch ‘Deutsch und treu in Not und Tod’ . Die nächste Liedstrophe ist nicht weniger unappetitlich: ‘Da schritt in ihre Mitte ein schlitzäugiger Chines’: ‘Auch wir sind Indogermanen und wollen zur Waffen-SS.’“ Zudem habe die Germania in ihrem Liederbuch dem Sauflied „Es lagen die alten Germanen“ ein paar Strophen dazugedichtet, und das in einer Weise, die „möglicherweise unter das Verbot nationalsozialistischer Wiederbetätigung“ falle. Auch ein Lied zu Ehren der Legion Condor, das „Burenlied“ oder Ernst Moritz Arndts „Was ist des Deutschen Vaterland?“ seien zu finden. Seit er dort Mitglied sei, kenne Landbauer das Liederbuch der Schülerverbindung jedoch nur mit „herausgerissenen Seiten und geschwärzten Stellen“, so Horaczek.

„Ich bin auf das äußerste entsetzt und schockiert über jene Text- und Liedpassagen, welche heute zum Gegenstand politischer Diskussionen geworden sind“, ließ Landbauer verlauten. Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit seien „etwas sehr Häßliches und müßten entschieden verurteilt und bekämpft werden“. Gerade er, mit seinem Migrationshintergrund – Landbauers Mutter ist Perserin – habe weder in der FPÖ noch in seinem Bund auch nur das „geringste Maß an Fremdenfeindlichkeit oder Antisemitismus wahrgenommen“, resümierte der 31jährige. Allerdings nicht ohne die „politische Kampagne wenige Tage vor der Wahl“ zu kritisieren. 

Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geißelte die „medial konstruierte Schmutzkübelkampagne“. SPÖ, Grüne und Neos, selbst Bundespräsident Alexander Van der Bellen forderten Landbauers Rücktritt. 

Strache hielt jedoch zu ihm. Landbauer habe sich persönlich nichts zuschulden kommen lassen, erklärte der Vizekanzler, fügte jedoch hinzu, daß es für Antisemiten in der FPÖ keinen Platz gebe: „Die Verantwortung und das Gedenken an die Opfer des Holocaust sind uns Verpflichtung und Verantwortung in der Gegenwart und für kommende Generationen. Wer das anders sieht, soll aufstehen und gehen. Er ist bei uns nicht erwünscht.“ Der FPÖ-Chef regte an, daß sich die Korporationen und das Dritte Lager einer Aufarbeitung der Vergangenheit widmen sollten. Dies könne durch eine Historikerkommission erfolgen, die sich „schonungslos mit den Fehlern der eigenen Vergangenheit auseinandersetzen solle“.

Parallel dazu lobte er das hervorragende Wahlergebnis der FPÖ in Niederösterreich. Sie habe „unglaublich schwierigen Bedingungen“ getrotzt. Dennoch sei das zweitbeste Ergebnis in der Geschichte der FPÖ Niederösterreich bei Landtagswahlen erreicht worden. Die Freiheitlichen konnten ihre Mandate mit einem Zuwachs von 6,6 Prozent auf 14,8 Prozent verdoppeln. Die SPÖ belegt mit 23,9 (plus 2,3) Prozent Platz zwei. Auch Grüne und Neos schafften den Einzug in den Landtag.