© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/18 / 02. Februar 2018

CD-Kritik: Richard Wagner – Matthias Goerne
Auf tönernen Füßen
Jens Knorr

Man muß bis zu Friedrich Schorr oder Alexander Kipnis zurückhören, um eine ähnlich schöne und resonante Stimme zu hören und um zu erfahren, wie Wagner gesungen werden kann: gesungen! Man muß nicht ganz so weit in die Geschichte der Gesangskunst zurückgehen, will man erfahren, wie Wagners große Baß-Bariton-Monologe gesanglich dargestellt werden können, so daß in jedem Monolog über die jeweilige Situation hinaus das ganze Drama einer Figur zusammenschießt.

Von Matthias Goerne erfahren wir auf dem Doppel-Album „The Wagner-Project“ wenig „of Gods and Men“, wenig über „Redemption“, wenig über die Dramen Hans Sachsens, Markes, Wotans, des Holländers, Wolframs, Amfortas’, deren Stimmen in Goernes Stimmfluß rettungslos untergehen. Goernes tönende Sakralbauten stehen auf tönernen Füßen. In sein Singen hat sich ein histrionischer Ton eingeschlichen, der den genügsamen Vorstellungen des Sängers von Theatralität entsprechen mag, freilich für Momente nahebei unfreiwilliger Parodie gerät.

Ouvertüren, Vorspiele und Orchestermusiken Wagners unterbrechen und verbinden bedeutungsheischend Goernes Konzertmonologe. In Daniel Harding ist ein Dirigent und in dem Schwedischen Radio-Symphonieorchester ein Orchester gefunden, die den Intentionen des Sängers willig folgen. Die Intentionen Wagners sind es nicht.

The Wagner-Project Matthias Goerne Harmonia mundi 2017 www.matthiasgoerne.com