© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 06/18 / 02. Februar 2018

Versuchspersonen auf Bestellung
Die chinesischen Klonerfolge werfen ethische Fragen auf / Droht nach den Affen nun der Retortenmensch?
Hans-Bernhard Wuermeling

Zhong Zhong und Hua Hua heißen die beiden Äffchen, die Forscher in China als mutter- und vaterlose Lebewesen geklont und damit weltweit eine neue Diskussion ausgelöst haben. Aber zunächst eine grundsätzliche Information: Klonen ist ein in der Natur weit verbreiteter Vorgang; die geschlechtliche Vermehrung ist dagegen eher die Seltenheit. Klonen spielt sich in allen Stufen des Lebens ab; auf der untersten Stufe als Vermehrung der Erbsubstanz DNS (Desoxyribonukleinsäure).

Auf der nächsten Stufe, der der Zellen, vermehren sich diese zumeist auch ungeschlechtlich. Nur die erste Zelle eines neuen Organismus entsteht bei geschlechtlicher Vermehrung durch Vereinigung einer Ei- und Samenzelle. Das weitere Wachstum dieses neuen neuen Lebewesens vollzieht sich jedoch als ungeschlechtliche Vermehrung der Körperzellen, also durch Klonen. Im Bereich der Botanik nennt man das Klonen Sprossen, zum Beispiel bei der Vermehrung von Kartoffeln.

Künstlich kann man mittlerweile Klone auf vielen Stufen des Lebens erzeugen. Die DNS kann man auf diese Weise vermehren, um der Diagnostik und Therapie zu dienen. Dasselbe gilt für die Lebensstufe der Zellen. Auf der Lebensstufe der Organismen, zum Beispiel für die Arzneimittelprüfung, wäre es außerordentlich vorteilhaft, Versuchstiere mit derselben Erbinformation benutzen zu können, um individuelle Unterschiede darin auszuschließen. Während Bedenken in den unteren Stufen der ungeschlechtlichen Vermehrung kein unbedingtes ethisches Hindernis gegenüber künstlich bewirktem Klonen aufkommen lassen, sind sie etwa im Bereich der Viehzucht (wegen des Tierschutzes) bereits von einiger Bedeutung.

Klonen von Menschen erscheint nun möglich

Warum erregt aber der chinesische Erfolg die Gemüter derart, nachdem schon 1996 das Schaf Dolly „geklont“ wurde? In dem seinem geistigen Vater Jan Wilmut zugeschriebenen Dolly-Verfahren wurde nur der Großteil der für ein Klonen erforderlichen Erbinformation zum Schaffen eines neuen Lebewesens verwendet. Ein kleinerer Teil der DNS blieb unberücksichtigt. Insofern resultierte bei dem Dolly-Verfahren keine komplette Kopie des Genoms seines „Erzeugers“. Dies mag ein Grund dafür sein, daß die Diskussion über das Klonen durch die chinesischen Erfolge neu entfacht ist. Doch ist dies nicht der einzige Grund dafür. Weitaus wichtiger ist sicher die Tatsache, daß nun auch menschenähnlichere Primaten, eben Affen, geklont werden können (bisher nur sogenannte Höhere Säuger wie Rinder und Hunde). Der Übergang zum Klonen von Menschen erscheint nicht mehr als so absolut unmöglich wie bisher angenommen. Und schließlich ließen sich beim Dolly-Verfahren aus einer embryonalen Zelle nur maximal acht Zellkerne für einen Kerntransfer gewinnen, während das Ausgangsmaterial für das chinesische Verfahren in weit größerer Menge zur Verfügung steht.

Dem Autor dieses Textes antwortete Jan Wilmut seinerzeit auf die Frage, ob er denn auch an das Klonen von Menschen gedacht habe, mit heftigem Temperament: Er betrachte das als höchst schädlich für die Beteiligten und die ganze Menschheit. Die gesellschaftlichen Folgen seien mit Sicherheit ungeheuer. Er stelle sich vor, er sei geklont in seine Familie hineinmanipuliert worden: Welche Konkurrenz zu seinem zeitversetzten älteren Zwilling er dann gegenüber dessen Ehefrau bilde! Er war über die Frage im Ernst entsetzt.

Die chinesischen Forscher erklären zwar, daß sie das Klonen von Menschen nicht beabsichtigen. Der Unterschied zum „Entsetzen“ Wilmuts in diesen Aussagen ist zu beachten: Die Chinesen beabsichtigen nur, keine diesbezüglichen Absichten zu verfolgen, während die weltweite Forschung das Kopieren von Menschen als unethisch und verboten ausdrücklich ablehnt.

Außerdem gibt es in der Bevölkerung heftige, auch emotional ausgedrückte Widerstände gegen das Klonen von Menschen, da vermutet wird, diese zu irgendwelchen Zwecken politischer oder technischer Macht herstellen zu wollen. Da ein solcher potentieller Mißbrauch das Denken weitgehend beherrscht, wird man diese Befürchtungen ernsthaft diskutieren müssen, um zum Klonen überhaupt ethisch Stellung zu nehmen.

Eine weitere Beobachtung: Wenn die chinesischen Forscher ihren Produkten die Namen Zhong Zhong und Hua Hua gegeben haben, dann sicher nicht ohne Grund. „Zhonghua“ soll für „chinesische Nation“ oder „chinesisches Volk“ stehen. In aller Harmlosigkeit kann man annehmen, es solle damit zum Ausdruck gebracht und gerühmt werden, zu welch wissenschaftlich-technischen Leistungen China fähig sei.

„Sklaven“ für spezielle Aufgaben erschaffen?

Die auffällige Namensgebung kann man aber auch als politisches Programm verstehen: Soll die bisherige Unterschiedlichkeit der Einzelmenschen zugunsten einer künftigen Einheitlichkeit beseitigt werden? Das könnte heißen, Menschen in Zukunft als unterschiedslose Wesen zu konstruieren oder durch einen Einheitsmenschen zu ersetzen, um sie als Mittel zu irgendeinem Zweck zu gebrauchen.

So ist mit Recht zu befürchten, der Klonmensch könne geplant werden, um beispielsweise Versuchspersonen, Krieger, Menschen minderer Klasse oder „Sklaven“ für spezielle Aufgaben und besondere Fähigkeiten abzugeben. Ein solcher Mißbrauch verstößt mit Sicherheit gegen die Menschenwürde, wie immer man sie auslegt.

Das mag kühn und spekulativ gedacht sein; es fügt sich aber gut in die heute weltweit zu beobachtende Tendenz, Vorgegebenes zu leugnen oder als irrelevant anzusehen. Diese anthropologischen Überlegungen erscheinen mir aber wichtiger als der Rat, wegen Nebenwirkungen und Risiken des Klonens von Menschen den Arzt oder Apotheker zu befragen.






Prof. Dr. med. Hans-Bernhard Wuermeling war Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg. Er ist Experte für bioethische Fragen.

„Cloning of Macaque Monkeys by Somatic Cell Nuclear Transfer“ im Journal Cell (1/18):  cell.com/