© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/18 / 09. Februar 2018

Für Hygiene im eigenen Haus
FPÖ: Eine Historikerkommission soll Kritikern bei den Themen Antisemitismus und Rassismus den Wind aus den Segeln nehmen
Curd-Torsten Weick

Nun soll es eine Historikerkommission richten. Laut FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wird sie in der kommenden Woche vom FPÖ-Bundesvorstand beschlossen und in Folge eingesetzt. Ziel sei, daß sich Korporationen und das national-freiheitliche Lager schonungslos mit den Fehlern der eigenen Vergangenheit auseinandersetzen müßten. In der FPÖ, aber auch im Dritten Lager habe Antisemitismus nichts verloren, sei dort aber auch nicht vorhanden. Vor allem nehme er die Entscheidung des niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauers, das Amt als Stadtrat abzulegen, das Landtagsmandat nicht anzunehmen und alle FPÖ-Funktionen bis zur Klärung seiner Unschuld ruhend zu melden, mit „großem Respekt und menschlicher Anerkennung“ zur Kenntnis. 

Auflösungsverfahren gegen  Germania wurde eingeleitet

Der Vizekanzler betonte, daß alle konkret von der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem „widerlichen“ antisemitischen Liedtext im Liederbuch der Wiener Neustädter Mittelschulverbindung „Burschenschaft Germania“ (JF 6/18) von der Polizei vernommenen Verdächtigen definitiv keine FPÖ-Mitglieder seien. Ein Hieb gegen die SPÖ. Denn einer der Verdächtigen, der Illustrator des Germania-Liederbuchs,  war ein hoher Beamter in Wiener Neustadt und SPÖ-Mitglied. „Eine pauschale Diffamierung und Hetze gegen Couleur- und Waffenstudenten und Burschenschaften lasse ich nicht zu und verwahre mich auch vehement und konsequent dagegen“, ließ Strache letztlich verlauten. 

Kurz vor Landbauers Rücktritt hatte Kanzler Sebastian Kurz angesichts der „absolut widerwärtigen“ Liederbuchtexte sowohl strafrechtliche als auch politische Konsequenzen gefordert. Parallel dazu verkündete Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), daß die zuständige niederösterreichische Vereinsbehörde beauftragt worden sei, ein Auflösungsverfahren gegen die Burschenschaft Germania einzuleiten. 

Laut Innenministerium ist eine „bescheidmäßige Auflösung“ gemäß Paragraph 29 des Vereinsgesetzes möglich, wenn der Verein gegen Strafgesetze verstoßen, seinen statutenmäßigen Wirkungskreis überschritten habe oder überhaupt den Bedingungen seines rechtlichen Bestands nicht mehr entspreche.

Die Burschenschaft Germania werde behördlich aufgelöst, „wenn strafrechtlich relevante Aktivitäten des Vereins festgestellt werden“, sagte Kickl. Dazu werde man die bereits laufenden Ermittlungen beziehungsweise eine mögliche strafrechtliche Verurteilung durch die Justiz abwarten müssen.

Im vorliegenden Fall konzentrierten sich die Ermittlungen auf mögliche Verstöße einzelner Vereinsmitglieder gegen das NS-Verbotsgesetz, wiewohl auch auf strafrechtlich relevante Fehlverhalten einzelner Organwalter, die dem Verein zugerechnet werden könnten. 

Die Tatsachen, auf die sich eine behördliche Vereinsauflösung stützt, müssen jedoch gerichtlich erwiesen sein. Gerade in Hinblick auf die geltenden Grundrechte der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, wie der Vereins- und Versammlungsfreiheit, reiche der bloße Verdacht nicht als Rechtfertigung einer Vereinsauflösung. 

Bei keiner der in Österreich gemeldeten Schüler- oder Studentenverbindungen hätten sich in den vergangenen fünf Jahren Verdachtsmomente ergeben, die einen Anlaß für eine erweiterte Gefahrenerforschung, nach Prüfung durch einen Rechtsschutzbeauftragten, oder eine kriminalpolizeiliche Erhebung geboten hätten. Die gemeldeten Schüler- und Studentenverbindungen müßten sich an die Rechtsordnung halten, Vorverurteilungen oder Verallgemeinerungen seien abzulehnen, so das Innenministerium. 

Doch das kümmert die Opposition und linke Medien wenig. Grüne und  SPÖ verlangen ein noch entschlosseneres Vorgehen „gegen verfassungsfeindliche Umtriebe bei Burschenschaften“, und Standard-Kommentator Gerald John erklärt: „Mit den Germanen ist es nicht getan.“ Meinten es ÖVP und FPÖ ernst damit, für politische Hygiene zu sorgen, müßten sie auch die Verstrickungen anderer Burschenschafter, so jene der Wiener Olympia, durchleuchten – und dann durchgreifen.

Für „Hygiene im eigenen Haus“ setzt sich auch FPÖ-Chefideologe Andreas  Mölzer ein. Dafür müsse die Partei allerdings „selbst pro-aktiv“ werden, so der ehemalige EU-Parlamentarier im ORF. Vor allem dürften die Freiheitlichen nicht immer darauf warten, daß ihnen „Restbestände“ des Gedankenguts aus der NS-Zeit aus taktischen Gründen immer vor Wahlen um die Ohren gehauen werden. 

FPÖ kann nicht für Burschenschaften sprechen 

Es sei in keiner Weise entschuldbar, daß noch 1997 das offzielle Liederbuch mit der Strophe „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“ neu erschienen sei. Er selbst sei im Jahr 1968 Mitglied einer schlagenden Mittelschulverbindung geworden, so Mölzer im ORF-Interview. Dort habe er das Lied und auch die „grauslige Strophe“ zwei- oder dreimal gehört. „1968 – das war jene Zeit, als die ÖVP plakatierte ‘Ein echter Österreicher’ – entgegen dem SPÖ-Politiker Bruno Kreisky, der jüdische Wurzeln hatte. Als Kreisky sagen konnte: ‘Wenn die Juden ein Volk sind, so ist es ein mieses Volk’.“ Man sei damals noch nicht sensibel gewesen, erklärte der 65jährige. 

Und dennoch, so Mölzer, gebe es „wahnsinnig viele Blödheiten“ im eigenen Haus. Diese müßten nun „benannt, aufgearbeitet und ausgetilgt“ werden. In der Historkerkommission müßten die Freiheitlichen dem Prinzip der Wissenschaftlichkeit gerecht werden. Auch dezidierte Gegner wie das Dokumentationsarchiv das österreichischen Widerstandes (DÖW) müßten gehört werden. Strache könne dabei jedoch nur für die Partei sprechen, nicht aber für die Burschenschaften.