© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 07/18 / 09. Februar 2018

Weimars symbolpolitisches Versagen in der Provinz
Demokratie ohne Identitätsstiftung
(dg)

So wie zuletzt Dirk Blasius (JF 46/17) führen viele Historiker das Scheitern der Weimarer Republik auf die Unfähigkeit der systemtragenden Parteien zurück, Symbole und Feste zu nutzen, um die Masse noch monarchistisch sozialisierter Bürger zur Identifikation mit dem neuen demokratischen Staat zu animieren. Wie sich dieses symbolpolitische Versagen alljährlich in der Provinz vollzog, versucht Hansjörg Zimmermanns die schleswig-holsteinische Regionalpresse auswertende Fallstudie über die Feiern zum 11. August, dem Verfassungstag der Republik, nachzuzeichnen (Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, 142/2017). Zeithistorisch zwar arg desorientiert, da er etwa behauptet, Hindenburg und Ludendorff hätten 1916 auch die „politische Verantwortung“ im Reich übernommen oder die SPD habe 1919 als „einzige Partei“ die Republik getragen, und zudem ohne Bezug zur jüngsten Forschung, da er Vorläufer wie Blasius ignoriert, bestätigt Zimmermann doch die herrschende Ansicht über das schwache Integrationspotential des Weimarer Staates. Ob dieses historische Beispiel die von ihm zitierte These des US-Politologen Francis Fukuyama belegt, „Demokratie stiftet keine Identität“, wird von Zimmermann vor dem Hintergrund einer bewußt „minimalistischen“, Traditionsstränge kappenden bundesdeutschen Symbolpolitik allerdings nicht diskutiert. 


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