© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/18 / 16. Februar 2018

Knapp daneben
Unternehmergeist
Karl Heinzen

Berliner Justizvollzugsanstalten sind dafür berühmt, daß ihre Insassen auf oft lustige und phantasievolle Weise ausbrechen. Dieser Tradition gerecht zu werden, sah Hamed Mouki offenbar als Verpflichtung an. Wie ihm die Flucht aus der Haft in Tegel gelang, ist noch nicht so ganz klar. Während eine Attrappe seine Anwesenheit in der Zelle vortäuschte, hat er sich offenbar in einem Lieferwagen versteckt, der die Häftlinge mit Essen versorgte.

Die Vergehen, deretwegen Mouki einsaß, können heute niemanden schockieren. Diebstahl und schwere räuberische Erpressung – so etwas geschieht schnell in einer Zeit, in der unterschiedliche Kulturen erst zusammenfinden müssen, viele Menschen mit dem Gefühl herumlaufen, sie hätten ein besseres Leben verdient, und das Rechtsempfinden überhaupt im Fluß ist. In Berlin spürt man diesen Wertewandel besonders intensiv. Dies heißt nicht, daß die Stadtoberen den Strafvollzug willentlich aushöhlen würden, weil sie ihn für überholt hielten. Sie sind sich aber sehr wohl bewußt, daß Recht und Gesetz in Zukunft wohl nicht mehr die tragenden Prinzipien für unser Zusammenleben sein können.

Hamed Mouki sollte nicht weggesperrt werden,  sondern Wagniskapital für ein Start-up erhalten.

Solche philosophischen Fragen dürften Mouki allerdings kaum im Kopf herumgegangen sein. Er wird sich vielmehr gesagt haben, daß es für ihn einfach sinnlos ist, noch vier weitere Jahre im Gefängnis zu verbringen. Damit hat er sicher recht und dies nicht nur mit Blick auf seine ganz persönlichen Interessen. Mouki ist ein gebildeter Mensch, er beherrscht mehrere Fremdsprachen. So jemanden einzusperren, ist in einer Wissensgesellschaft wie der unseren eine Verschwendung humaner Ressourcen. Unser Wohlstand basiert darauf, daß es risikofreudige Persönlichkeiten gibt, die überkommene Regeln ignorieren, um neue Wege gehen zu können. Dieser Unternehmergeist zeichnet auch Hamed Mouki aus. Seine Bereitschaft, Wagnisse einzugehen, brachte ihn ins Gefängnis. Seine innovative Intelligenz führte ihn aus diesem wieder hinaus. Wenn man ihn schnappt, sollte man ihn daher nicht wieder in eine Zelle sperren. Was er braucht, ist Wagniskapital, um ein Start-up zu gründen.