© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 08/18 / 16. Februar 2018

Der Flaneur
Diese Lebensfreude
Claus-M. Wolfschlag

Das kleine Museum schließt. Mit einer Gruppe Rentner verlasse ich die alte Villa. Als wir den Vorplatz erreichen, macht sich Verunsicherung in den Gesichtern der Rentner breit. Das Restaurant im Nebengebäude wurde offenbar für eine orientalische Hochzeit angemietet. Mehrere Limousinen und SUVs wurden einfach auf die Rasenfläche vor dem Haus gefahren. Aus der aufgedrehten Stereoanlage eines der Autos schallt ohrenbetäubend orientalische Popmusik. Junge Männer in dunkelblauen Anzügen tanzen ekstatisch auf dem Vorplatz. Junge Frauen mit hellen Kopftüchern stehen im Kreis um die Tanzenden, klatschen in die Hände und ululieren Heullaute.

Ein Orientale stellt sich mir in den Weg. Sein Auto steht quer über den Fahrradweg.

Die deutschen Rentner schütteln mit dem Kopf: „Die dürfen doch nicht einfach auf den Rasen fahren?“ Claudia Roth wäre hingegen begeistert, denke ich. Diese Spontanität, diese Feierlaune, diese junge Kraft und Fröhlichkeit. Es ist dieses Temperament, auf das Multikultiselige nicht verzichten wollen, weil sie es bei den Deutschen vermissen.

Es ist schon Nacht, als ich nach Hause komme. Ich parke, gehe zum Haus, als sich mir ein junger Orientale in den Weg stellt. Sein Auto steht quer auf einem Fahrradweg. Er ist sehr erregt: „Hallo, sind Sie hier gerade schon mal langgelaufen?“ Ich verneine. „Sind Sie ganz sicher?“ Ich bejahe. „Was machen Sie hier?“ Ich sage, gerade geparkt zu haben. „Ach so? Nur geparkt? Das soll ich glauben?“ Ich frage, was los ist. „Mir hat jemand ans Auto gespuckt.“ Es ist klar, daß er irgendwem dafür die Fresse einschlagen möchte, und ich bin der einzige, der gerade in der nachtdunklen Straße dafür herumläuft. Es gelingt mir dennoch, ihn von meiner Unschuld zu überzeugen. 

Diese Spontanität, diese ungezügelte Emotion, dieses Ehrgefühl, diese junge Kraft und Aggression. Es ist dieses Temperament, auf das „Rechtspopulisten“ verzichten können, weil sie es in Deutschland nicht vermissen.