© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/18 / 23. Februar 2018

Zur Freilassung von Deniz Yücel
Warten auf die Läuterung
Thorsten Hinz

Die einjährige Inhaftierung des türkisch-deutschen Welt-Journalisten Deniz Yücel ohne Anklage war ein Skandal. Seine Freilassung ist zu begrüßen und ihm angesichts der Haftbedingungen in der Türkei von Herzen zu gönnen.

Verlogen dagegen ist seine Stilisierung zum Helden ohne Fehl und Tadel und zum Vorkämpfer des freien Wortes. Bekanntlich hat Yücel in der Vergangenheit sein Talent genutzt, um Andersdenkende zu verhöhnen, wohl wissend, daß die Opfer seines Zynismus aufgrund der deutschen Gesetzeslage außerstande waren, es ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen. Das war der Fall, als er über den deutschen Volkstod phantasierte und befand: „Etwas Besseres als Deutschland findet sich allemal.“

Journalisten in Deutschland bilden heute eine weithin verachtete Berufsgruppe. Yücel als Mann mit authentischer Leidenserfahrung dient ihr jetzt als Galionsfigur, an der sie ihr Image und Selbstwertgefühl aufrichtet. Der Springer-Konzern mag hoffen, daß die Angelegenheit für ihn geschäftliches Kapital abwirft.

Und der vielfach instrumentalisierte Deniz Yücel? Vermutlich wird er seine bösartigen Sätze bedauern, weil er erfahren hat: Etwas Besseres als Deutschland findet man so schnell nicht wieder! Auf seine geläuterten Texte dürfen wir gespannt sein.