© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/18 / 23. Februar 2018

Irgendwie hineingeraten
„Merkel muß weg“-Demo: Wegen ihrer Protestaktionen gegen die Bundeskanzlerin wird eine Mutter zur Zielscheibe der Antifa
Hinrich Rohbohm

Die Spuren sind noch deutlich zu sehen. Metergroße braune Farbflecke verunstalten die Fassade des Maschener Einfamilienhauses von Uta Ogilvie. Vor dem eingeschlagenen Fenster im Obergeschoß prangt jetzt eine weiße Spanplatte. Die 42 Jahre alte Mutter von zwei Kindern steht vor dem Hauseingang, zeigt, was schon von der Straße aus deutlich zu sehen ist: „Heute knallts“ steht da in schwarzer Farbe auf den weißen Putz geschmiert. Eine Drohung der linksextremen Antifa. Der Grund: Uta Ogilvie war zum Gesicht einer Hamburger Anti-Merkel-Bewegung geworden, die sie selbst vor einem Monat als Einzeldemonstrantin begonnen hatte und der inzwischen mehrere hundert Protestler folgen. 

Am frühen Morgen kam die Antifa

Uta Ogilvie hat Tee zubereitet. Sie selbst trinkt Yogi-Tee. „Da bin ich öko“, sagt sie. Politisch sieht sie sich „im libertären Spektrum.“ Sie schätze „die konziliante und ruhige Art“ des ehemaligen Chefredakteurs der Wirtschaftswoche, Roland Tichy, den sie auch einmal persönlich kennengelernt habe. „Es sollten mehr Leute wie er in Talkshows sitzen.“

Es war der 28. Januar, ein Sonntag, als ihr gemeinsam mit ihrem Mann die Idee zu einer Anti-Merkel-Demo gekommen war. „Am Montag ging ich dann zum Schreibwarengeschäft und hatte mir rosa Pappe besorgt. Auf den Spruch „Merkel muß weg“ sei sie selbst gekommen. Einer, der vor allem bei Pegida-Demonstrationen häufig Verwendung findet. Mit der Pappe und einem Besenstiel bastelte sie sich ein Plakat. Ein Anruf bei der Innenbehörde, ob sie am Hamburger Jungfernstieg demonstrieren dürfe. Sie darf. „Um 20 Uhr habe ich mich da einfach mit meinem Plakat hingestellt.“ 30 Minuten sei sie hin und her gelaufen. „Es geschah wenig. Viele haben einfach nur gedacht, was macht die Verrückte da? Ich kam mir vor, als wäre ich als Huhn verkleidet, wie eine Bekloppte.“ So weit, so harmlos. Bis sie dem ehemaligen Türsteher und Personenschützer von Ronald Schill, Thomas Gardlo, von ihrer Aktion erzählt. Ogilvie kennt ihn schon länger. „Ich hatte ihn vor einem Jahr über einen guten Freund in einer Kneipe kennengelernt“, erzählt Ogilvie. „Ziehe das doch mal so richtig professionell auf“, habe der ihr vorgeschlagen. 

Es dürfte der Moment gewesen sein, in dem der Hausfrau aus dem Hamburger Vorort Maschen die Aktion aus den Händen zu gleiten beginnt. Gardlo und andere fangen an, in den sozialen Medien für die nächste Demonstration zu mobilisieren. Mit dem „Merkel muß weg“-Spruch und dem bürgerlichen Gesicht Uta Ogilvies als Aufhänger. „Das lief alles über Facebook. Ich weiß gar nicht, wer das alles war“, gesteht sie. Etwa 100 bis 200 Personen seien erschienen. Davon nicht wenige auch aus der Pegida-Szene.

 Unter anderem hatte sich Eric Graziani Grünwald angekündigt, der bereits bei Bärgida und Legida-Veranstaltungen als Redner aufgetreten war. „Der Kampf um Deutschlands Restdemokratie wird in Hamburg ausgetragen“, wirbt auch das nationalbolschewistische Magazin Compact für die Veranstaltung, veröffentlicht für seine Leser Treffpunkt, Infos und Verhaltensregeln für die Demo. Was wiederum die gewaltbereite linksextreme Antifa auf den Plan rief. „Es war schwer, überhaupt zur Demo durchzukommen“, erinnert sich Uta Ogilvie an ihre vorläufig letzte Demo vom 12. Februar. Die Polizei war mit Räumfahrzeugen und Wasserwerfern aufgefahren, ihr Plakat wurde ihr von Linksextremisten entrissen. 

War es Naivität, die sie zur Kooperation mit Gardlos Leuten trieb? Oder hatte sie deren politische Hintergründe wohlwissend in Kauf genommen? Die Wahrheit dürfte irgendwo dazwischen liegen. „Die waren nett zu mir, dann bin ich auch nett zu ihnen“, meint sie dazu. Sie wolle sich ihr eigenes Bild über die Leute machen. Biographien wie die von Gardlo finde sie „spannend.“

Am vergangenen Montag ging die Anti-Merkel-Demo weiter. Ohne Uta Ogilvie. Sie hat sich zurückgezogen, will ihr Leben und das ihrer Familie nicht mehr weiter aufs Spiel setzen. Wie sehr ihr der Anschlag zugesetzt hat, verdeutlichen ihr immer wieder kleine Begebenheiten aus dem Alltag.  „Als mir eines Abends draußen beim Laufen eine schwarz gekleidete Person entgegenkam, hatte ich laut aufgeschrien. Dabei stellte sich heraus, daß das nur eine Frau mit ihrem Hund war.“

 Nachwirkungen des Anschlags, der in der Nacht vom 11. auf den 12. Februar erfolgte. Der Nacht vor der Demonstration. „Die Antifa war irgendwann in den frühen Morgenstunden gekommen. Wir schliefen und hatten nichts bemerkt.“ Währenddessen kämpfte ihr sechs Jahre alter Sohn mit der Angst. „Er bekam mit, wie in seinem Zimmer die Scheibe zerklirrte“, schildert Uta Ogilvie den Anschlag der Antifa auf ihr Haus. „Aus Furcht hatte er nicht gewagt, sein Bett zu verlassen.“ Trotz winterlicher Temperaturen habe der Junge die Nacht dort verbracht, sich die Bettdecke über den Kopf gezogen und sich nicht mehr getraut, darunter hervorzukommen. 

Mit der Modellagentur-Chefin Jennifer Nathalie Gehse hatten die Proteste zunächst eine neue Galionsfigur gefunden. Nachdem ihr Name öffentlich wurde, zog sie sich aber wieder zurück. Und so standen sich auf dem Hamburger Gänsemarkt Rechte und Linke gegenüber. Wie die Antifa grölen auch einige aus den Reihen der Anti-Merkel-Demo in proletenhafter Aufmachung Haßparolen in Richtung ihrer Kontrahenten. Wenn sie fotografiert werden, drehen sie sich ebenso weg oder vermummen sich wie die Antifa. Um bürgerlichen Protest gegen Angela Merkel scheint es hier längst nicht mehr zu gehen.