© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/18 / 23. Februar 2018

Mit dem Taxi in den Kampf
Terrorprozeß: Vor dem Berliner Schwurgericht müssen sich vier mutmaßliche IS-Unterstützer verantworten / In Moschee radikalisiert
Martina Meckelein

Da sitzen im Panzerglaskasten die angeklagten Terroristen – vielmehr die Möchtegerns: Soufiane A., ein fanatisierter Deutsch-Marokkaner. Er hat ein Rückenleiden, trägt ein schwarz-weiß kariertes Hemd, eine schwarze Weste und schwarze Locken. Daneben sein Kumpan Emrah C., ein Türke, der keine Angaben zum Beruf machen möchte. Gegenüber kauert Resul K., ein grauhaariger Türke, gelernter Industriemechaniker, neben ihm Feysel Ercek H., deutscher Staatsbürger, ohne Beruf, der zu Hause seinen Bruder zusammengeschlagen, mit dem Tod bedroht und in der Untersuchungshaft seine Aufseher angegriffen hatte. Alles in allem: Totalversager. 

Und doch haben diese radikalisierten Muslime im Landgericht Berlin-Moabit jetzt eine große Bühne. Hohe Sicherheitsvorkehrungen. Zwei Schleusen vor dem Schwurgerichtssaal. Taschen-, Jacken- und Personenkontrollen, Handys sind nicht erlaubt. Die Anklageverlesung dauert genau 40 Minuten. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft den vier Männern vor, zwischen November 2016 und 22. Februar 2017 eine terroristische Vereinigung im Ausland unterstützt zu haben, „die darauf ausgerichtet ist, Mord, Totschlag oder Kriegsverbrechen zu begehen“. Das Bild, das die Staatsanwältin von den vier Angeklagten skizziert, ist wenig schmeichelhaft. Alle vier kannten sich aus dem Moscheeverein Fussilet 33 – 2010 gegründet, 2017 verboten. Der tunesische Attentäter vom Breitscheidplatz, Anis Amri, betete hier.

Laut Staatsanwaltschaft planten die vier Angeklagten gemeinsam mit zwei anderen Fanatikern nach Syrien auszureisen und sich dort zu IS-Kämpfern ausbilden zu lassen. Um an Geld für ihre Reise in die Terror-Ausbildung zu kommen, hatten sie Elektronikmärkte betrogen: Mit getürkten Lohnabrechnungen kauften die Arbeitslosen iPhones und  verscherbelten sie für 500 Euro das Stück. Den Elektronikmärkten zahlten sie natürlich keinen Cent. 

Verbindung zum Attentäter vom Breitscheidplatz

Plötzlich knallt eine Tür. Mit Getöse marschieren drei südländisch aussehende Männer grinsend in den Schwurgerichtssaal. Krachend fallen ihre schweren Körper auf die Besucherstühle. Einer winkt dem Angeklagten Emrah C. zu, der nickt zurück. Ganz still sitzen drei verschleierte Frauen auf der Besucherbank.

„Nein“, sagen die acht Verteidiger der vier Angeklagten unisono – ihre Mandanten lassen sich nicht zur Sache ein. Auch daß die Mandanten Bekannte von Anis Amri gewesen seien, wird von den Verteidigern bestritten. Jedenfalls soll laut Staatsschutz, so berichtet der Berliner Kurier, der Angeklagte Soufiane A. Kontakte zu ihm gehabt haben und unter dem Kampfnamen „Abu Dharr“ tief in der Salafistenszene verankert gewesen sein.

Die Planungen der vier Angeklagten und zwei gesondert verfolgten Islamisten für die Reise in die Terrorausbildung sahen laut Staatsanwaltschaft wie folgt aus: Die erste Gruppe, mit Soufiane A. und zwei weiteren Männern, fährt am 2. Dezember im Zug nach Rom. Von dort geht es im Bus nach Ancona. Sie wollen auf eine Fähre steigen. Die anderen fahren am 3. Dezember mit dem Taxi eines der Angeklagten Richtung Syrien  los. Im Taxi macht Emrah C. ein Selfie, zeigt den „Tauhis-Finger“.

Unterwegs gibt es Tips von einem IS-Mittelsmann, damit sie nicht auffallen: Bärte ab, keine Glatzen schneiden, westliche Kleidung tragen und keine arabischen Floskeln verwenden. Doch die reisenden Terror-Azubis wollen sich nicht fügen. Das Taxi kommt nur bis zum Grenzübergang Bajakovo in Serbien. Den Beamten fällt auf, daß die vorgezeigten Pässe einer Reisesperre unterliegen. Am 9. Dezember fahren Emrah C. und Resul K. wieder nach Deutschland. „Nachdem sie abschreckende Berichte über den IS-Aufenthalt von Rückkehrern erhalten hatten“, sagt die Staatsanwältin.

Soufiane A. sitzt seit dem 4. Dezember in Ancona fest. Er hat die Streikleidenschaft der italienischen Fährkapitäne unterschätzt. Es fährt kein Schiff über das Mittelmeer. Polizisten werden auf die in einem Hotel hausenden Islamisten aufmerksam – schicken sie wieder nach Deutschland zurück. Am  6. Dezember treffen sie früh morgens in München ein.

Für den Prozeß sind insgesamt 36 Verhandlungstage geplant. Das Urteil soll am 20. August fallen.