© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/18 / 23. Februar 2018

Hoffnung am Kap
Südafrika: Nach dem Rücktritt von Jacob Zuma herrscht Aufbruchstimmung / Opposition ist skeptisch
Marc Zoellner

Sie kamen im Morgengrauen, noch vor dem Rücktritt des alten Präsidenten: Pünktlich zum Valentinstag stürmten Dutzende schwer bewaffnete Einsatzkräfte der „Hawks“, der südafrikanischen Spezialeinheit zur Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität, am Mittwoch vergangener Woche mehrere Luxusvillen im Großraum von Johannesburg.

In einer konzertierten Welle von Verhaftungen setzten sie mehrere hochrangige Beamte aus dem Finanzsektor sowie Varun Gupta, den Neffen des Familienpatriarchen Ajay Gupta, fest. Doch wie seine beiden Brüder war auch Ajay bereits untergetaucht. Und ebenso wie Duduzane Zuma, der Sohn von Jacob Zuma, des südafrikanischen Präsidenten, welcher sich am Valentinstag noch zum Rücktritt gezwungen sah.

Einflußreicher Gypta-Clan vor dem Aus

Seit vergangenen Mittwoch wagt Südafrika den Kehraus – und das im ziemlich großen Stil. Die Bekämpfung der am Kap der Guten Hoffung grassierenden Korruption, hatte Südafrikas neuer Präsident Cyril Ramaphosa schon am Folgetag verkündet, stelle dabei die oberste Prämisse dar.

„Dies ist das Jahr, in welchem wir das Blatt wenden bezüglich der Bestechlichkeit unserer öffentlichen Einrichtungen“, erklärte der am 15. Februar vom südafrikanischen Parlament bestätigte Nachfolger Zumas in seiner ersten Ansprache an die Nation. „Wir bringen das Zeitalter des schwindenden Vertrauens in unsere Institutionen und das schwächelnde Vertrauen in die Führer unseres Landes hinter uns.“ An diesem Tage, so Ramaphosa, sei für Südafrika „ein neuer Morgen angebrochen“.

Daß Ramaphosa seine Ankündigung ernst meint, beweisen nicht zuletzt die Razzien gegen den Zuma-Sohn sowie den Gupta-Clan. Immerhin stehen beide Namen für einen der größten Korruptionsskandale in der jüngsten Geschichte der Kaprepublik. 

Als bescheiden wohlhabende Einwanderer waren die Guptas 1993 aus Indien nach Südafrika übergesiedelt. In den folgenden Jahrzehnten bauten sie sich, teils durch Fleiß, teils durch massive Bestechungssummen, ein ökonomisches Imperium auf. Sie gründeten Firmen im IT-Bereich, erwarben Bergbaukonzessionen und kauften konkurrierende Unternehmen auf. 

Vom regierenden Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) wurde ihr Treiben dabei stets gedeckt. Immerhin, so hielten sich Gerüchte, bestimmten die Gupta-Brüder, wer in Südafrika Minister werde und wer nicht. 

Zuletzt attestierte der ehemalige Vizefinanzminister Mcebisi Jonas als Kronzeuge im vergangenen Jahr, die Guptas hätten ihm die Rolle des Finanzministers angeboten, zuzüglich 600 Millionen Rand, umgerechnet gut 42 Millionen Euro, auf ein Konto seiner Wahl sowie 600.000 Rand auf der Stelle, sollte er einen Beutel bei sich haben. Und das für eine kleine Gefälligkeit – die Jonas allerdings abgelehnt hatte.

Doch die Affäre um die Estina-Milchbetriebe in der Freistaat-Provinz (früher: Oranje) ließ die Guptas endgültig straucheln: Vom Staat mit über 220 Millionen Rand gefördert, sollten unter der Aufsicht einer Gupta-Firma im kleinen Dorf Vrede ab 2012 rund 100 arme Bewohner des Freistaats, allesamt Schwarze, jeweils ein Stück Land sowie fünf Rinder erhalten, um die Region wirtschaftlich zu konsolidieren. 

Vom Anwalt der Armen zum Multimillionär 

Vom versprochenen Betrag erreichte die Bauern allerdings gerade einmal ein Prozent – der Rest verschwand in den dunklen Kanälen des Gupta-Imperiums. Als einer der Drahtzieher hinter der Veruntreuung wurde neben den Guptas bald auch Jacob Zumas Sohn Duduzane verdächtigt. Ein willkommenes Präsent für dessen innerparteiliche Opposition – denn auch Zuma senior stand aufgrund seines exklusiven Lebenswandels sowie einer auf Staatskosten erbauten 20-Millionen-Euro-Villa längst in öffentlicher Kritik.

Mit Cyril Ramaphosa bestimmte das südafrikanische Unterhaus schließlich einen der ärgsten ANC-Widersacher Zumas zum neuen Staatsoberhaupt. Gegenkandidaten gab es zu diesem Zeitpunkt keine. 

Der 1952 im Soweto-Township geborene Anwalt genießt das Vertrauen seiner Partei, die in der Nationalversammlung, dem südafrikanischen Unterhaus, 249 der 400 Mandate und somit die Mehrheit der Stimmen hält: Immerhin fungierte Ramaphosa bereits seit 2014 als Vizepräsident unter Jacob Zuma. Im Dezember 2017 wurde er überdies als Nachfolger Zumas zum Vorsitzenden des ANC gewählt.

Gleichwohl ist auch Ramaphosa nicht frei von Skandalen: Dem ausgedehnten Firmennetz des 400 Millionen Euro schweren Zwölftplazierten in der Liste der südafrikanischen Superreichen werden unter anderem Bestechungsversuche im Telekommunikationssektor vorgeworfen. 

Überdies brachte Ramaphosa dessen Verwicklung in die Marikana-Morde 2012 einen ersten Canossagang ein – zumindest im vergangenen Jahr vor den Studenten der Rhodes-Universität in Grahamstown. „Ich habe mich entschuldigt und ich entschuldige mich erneut, daß ich damals keine angemessene Wortwahl verwendet hatte“, erklärte Ramaphosa reumütig. „Ich hatte niemals die Absicht, die Minenarbeiter töten zu lassen.“

Im August 2012 war es im gut hundert Kilometer westlich von Pretoria gelegenen Marikana zu einem Massaker gekommen, als Polizei und Sicherheitskräfte einen mehrtägigen Streik von Bergwerkern niederschlugen, die für höhere Löhne demonstrierten. Hilfsorganisationen zählten im Anschluß 47 Tote unter den Streikenden sowie den Beamten. Der Begriff „Marikana“ steht seitdem für das schwerste Massaker staatlicher Kräfte an Zivilisten seit dem Ende der Apartheid-Ära.

Es ist gerade die linke Opposition der „Economic Freedom Fighters“ (EFF) im Unterhaus, welche das Marikana-Massaker bis heute instrumentalisiert, um Ramaphosa anzugreifen. Schließlich war er es, der 1982, noch in der Illegalität, mit der „National Union of Mineworkers“ (NUM) die erste Bergarbeitergewerkschaft Südafrikas gründete – bis er zur Jahrtausendwende die Fronten wechselte und zum Aufsichtsrat der Lonmin-Gruppe, der Betreibergesellschaft der Marikana-Bergwerke, avancierte.

„Die schrecklichen Ereignisse, die sich ergaben, dürfen nicht mehr als Arbeiterkampf betrachtet werden“, heizte Ramaphosa die Eskalation in einer später geleakten E-Mail an. „Es sind schlicht feige Kriminelle, die auch als solche bezeichnet gehören.“ Ein versöhnendes Gespräch mit den Witwen der Getöteten in Marikana lehnte Ramaphosa seitdem jedoch stets mit dem Verweis ab, diese wollten ihn ohnehin nicht empfangen.

Die Vergangenheit holt Ramaphosa ein 

Für die EFF ein gefundenes Fressen. „Uns geht es jetzt schlechter, als es uns zu Apartheid-Zeiten ging“, brandmarkte EFF-Gründer Julius Malema schon damals Ramaphosa als einen üblen Überläufer. „Jetzt werden wir von unseren eigenen Leuten getötet. Sie nehmen Schutzgelder an, um die Weißen vor den Arbeitern zu schützen.“

Daß Ramphohsa immer wieder öffentlich die Ermordung weißer Farmer anprangert, ist den schwarzen Nationalisten um Malema ohnehin ein Dorn im Auge – und war es ihnen auch schon im Fall Jacob Zumas, „der zwischen uns und unseren Feinden [den Weißen Südafrikas] steht“, wie Malema jüngst noch drohte. Als neuen Präsidenten anerkennen will die EFF Cyril Ramaphosa mit dessen Vergangenheit nicht. Geschlossen verließen ihre Abgeordneten das Unterhaus noch während der Antrittsrede des neuen südafrikanischen Staatsoberhaupts. 

Fraglich bleibt, ob Cyril Ramaphosa trotz seines Rückhalts innerhalb des ANC sowie der bürgerlichen Opposition die ethnisch tief gespaltene, von Korruption gebeutelte Republik wieder zu einen versteht – oder ob er nicht doch frühzeitig wieder aus dem Amt gejagt wird.