© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/18 / 23. Februar 2018

Umgeben von Falschnachrichten
Landtagswahl in Tirol: Trotz oder gerade aufgrund von Manipulationen erhofft sich die FPÖ einen kräftigen Stimmenzuwachs
Lukas Steinwandter

Wieder geschah es kurz vor der Landtagswahl. Wieder war es ein Antisemitismus-Skandal. Wiederum stand die in Umfragen starke FPÖ plötzlich im Fokus der Kritik von Medien und Konkurrenten. Doch anders als in Niederösterreich vor einigen Wochen, als der FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer zurücktreten mußte, gingen die Blauen in Tirol zum Angriff über. Denn der vermeintliche Skandal, Spitzenkandidat Markus Abwerzger habe einem verbitterten Senior, der sich über Zitate im Zusamenhang mit dem Begriff „stinkerte Juden“ und die heutigen Zustände mokierte, nickend zugestimmt, entpuppte sich bereits 24 Stunden später als Falschnachricht. Der zwangsfinanzierte ORF, der den zugrundeliegenden Fernsehbericht sinnentstellend zugeschnitten hatte, steht nun unter blauem Dauerfeuer.

Mitten in dieser Schlammschlacht entstand Ende vergangener Woche neuer Wirbel um den FPÖ-Wahlkampf. Unbekannte hatten in ganz Innsbruck vermeintliche FPÖ-Plakate angebracht. Darauf ist ein Flüchtlingskind mit Schnuller hinter einem Zaun zu sehen. Darunter prangt der Slogan „Augen auf, Brenner zu – endlich echter Grenzschutz.“ Doch die Plakate stammen nicht von der FPÖ. Die Freiheitlichen protestierten scharf und brachten eine Anzeige wegen Wahlmanipulation ein. „Wir werden jegliche juristische Maßnahme ergreifen, damit die Verfasser der unappetitlichen Fake-Plakate ausgeforscht und zur Verantwortung gezogen werden“, kündigte Abwerzger an.

Abgesehen von den Aufregern um die FPÖ, der die zusätzliche Medienaufmerksamkeit eher nützen als schaden dürfte, dreht sich im Wahlkampf für die am Sonntag anstehende Landtagswahl in Tirol alles um die Koalitionsfrage. Die ÖVP von Landeshauptmann Günther Platter liegt in jüngsten Umfragen bei 40 Prozent und könnte ihr betont niedrig angesetztes Ziel, das historisch schlechteste Ergebnis von vor fünf Jahren (39,4 Prozent) verbessern. 

Sozialdemokraten haben bereits aufgegeben

Deutlicher als die Volkspartei könnte sich die FPÖ verbessern. Sie profitiert vor allem von dem Chaos während der Asylkrise. So hatte sich Innsbrucker Hauptbahnhof über Monate zu einem Kriminalitäts-Hotspot von Ausländern entwickelt, den die Polizei nur langsam und mühsam in den Griff bekam. 

2013 kamen die Blauen auf neun Prozent der Stimmen. Doch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache legt die Meßlatte nun sehr hoch: „Eine Verdoppelung ist drin, vielleicht sogar mehr.“ Tatsächlich steht die Tiroler FPÖ bei der jüngsten Umfrage von Anfang Februar bei 17 Prozent. Zwischenzeitlich kam sie sogar auf über 20 Prozent. Ihr klares Ziel ist eine Regierungsbeteiligung.

Im Gegensatz dazu peilt die SPÖ den ersten Platz in den Oppositionsreihen an. Das ist nach dem Absturz 2013, als die Sozialdemokraten mit 13,7 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis einfuhren, ein ambitioniertes Ziel. Für die Grünen geht es nach dem Ausscheiden aus dem Nationalrat in Wien vor allem darum, weit genug über die Fünfprozenthürde zu kommen, um sich für eine erneute Koalition mit der Volkspartei ins Spiel zu bringen. 

Die ÖVP hielt sich bislang bedeckt, mit wem sie am liebsten zusammenarbeiten würde. Ob es wieder die Grünen werden, hängt mit einer Tiroler Eigenart im Parteiensystem zusammen. Denn der  Landtag ist so bunt wie kein anderer. In der noch aktuellen Legislaturperiode sitzen Mandatare von sechs verschiedenen Fraktionen plus eine fraktionslose Abgeordnete. Zur Landtagswahl treten acht Listen an. Neben ÖVP, FPÖ, SPÖ, Grünen, Liste Fritz und Impuls Tirol stehen erstmals auch die Neos sowie die Tiroler Familienpartei Family auf den Stimmzetteln. Während die linksliberalen Neos mit aktuell 6,5 Prozent eine reelle Chance auf den Einzug in den Landtag haben, dürften sowohl Family als auch Impuls dies nicht schaffen. Scheitern allerdings Neos und Liste Fritz, die zuletzt bei 5,5 Prozent stand, würden die 36 Landtagsmandate für die anderen Parteien – zuvorderst für die ÖVP – deutlich billiger werden. So oder so wird sich die Farbpalette im Hohen Haus spürbar ändern.