© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/18 / 23. Februar 2018

Kein Warten wegen Krankschreibung bei Bagatelleiden
Bonus gegen das Blaumachen
Dirk Meyer

Die Nase läuft, der Hals kratzt, leichtes Kopfweh. Oder eine Magen-Darm-Verstimmung – fast jeden trifft es einmal. Und dann die Abwägung: zur Arbeit oder zum Arzt? Neben gesundheitlichen gibt es aber auch rechtliche Gesichtspunkte. „Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen“, heißt es im Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG).

Und: „Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen.“ Abweichend kann der Arbeitgeber bereits am ersten Tag ein ärztliches Attest verlangen. Zwei Drittel aller Krankschreibungen dauern bis zu sieben Tage.

Hingegen liegen nur sieben Prozent über vier Wochen, die allerdings über die Hälfte aller Fehltage ausmachen. Ein möglicher Grund für den hohen Anteil von Kurzzeit-Krankschreibungen kann an der 3-Tage-Karenzregel liegen. Ärzte stöhnen über volle Wartezimmer wegen Krankschreibung bei Bagatelliden, die Krankenkassen werden mit gegebenenfalls ineffektiven Aufwendungen für ärztliche Leistungen und Medikamente belastet, während die Arbeitgeber Trittbrettfahrer fürchten.

Wie läßt sich das Dilemma lösen? Zunächst einmal ist die Krankmeldung von der ärztlichen Krankschreibung zu unterscheiden. Erstere ist möglichst vor Arbeitsbeginn telefonisch abzugeben, um der Firma die Disposition zu erleichtern. Bei verspäteter Krankmeldung droht eine Abmahnung, im Wiederholungsfall die Kündigung. Überlegenswert wäre die Teilarbeits(un)fähigkeit, denn häufig fühlt man sich durchaus fit genug für ein paar Arbeitsstunden.

Doch diese kennt das deutsche Recht nicht. Deshalb ist bei Daimler die Anwesenheitsprämie seit einem Jahr Teil des Gesundheitsmanagements. Für jedes Quartal ohne Fehltage gibt es 50 Euro. Bei einem Tag Arbeitsunfähigkeit im Quartal sinkt der Bonus auf 30 Euro. Pro Jahr kann die Prämie 200 Euro ausmachen. Die Frage bleibt: Ist der Bonus niedrig genug, um den Arztbesuch bei schwereren Erkrankungen nicht zu unterlassen und hoch genug, um „Blaumachen“ zu verhindern?

Manche Unternehmen beteiligen ihre Mitarbeiter mit einer Jahresprämie am Erfolg. Gemäß Paragraph 4a EntgFG wäre eine Kürzung dieser Prämie möglich, maximal je Krankheitstag um höchstens ein Viertel des Arbeitsentgelts. Schließlich könnte der Arbeitgeber einen steuer- und abgabenfreien Tankgutschein (Paragraph acht Einkommensteuergesetz) in Höhe von maximal 44 Euro pro Monat (528 Euro pro Jahr) als Anwesenheitsprämie zu beiderseitigem Vorteil nutzen.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.