© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/18 / 23. Februar 2018

23 Tonnen Silber Lösegeld
Charismatische Gestalt: Das Historische Museum der Pfalz in Speyer zeigt eine Ausstellung zu Richard Löwenherz
Hans-Georg Meier-Stein

Das Historische Museum der Pfalz in Speyer wirft erneut einen Blick in eine romantisierte Vergangenheit. Und es ist bezeichnend, daß man sich in einer Zeit, in der nüchterne Technokraten und mediokre Bürokraten vorherrschen, von der Inszenierung einer malerischen und charismatischen Gestalt der Geschichte große Besucherzahlen verspricht.

Um die Figur des Königs Richard I. von England, der gemeinhin Löwenherz genannt wird, liegt ein seltsam bizarrer Glanz. Sagen, Mythen und Legenden haben sich schon früh dieses Abenteurers bemächtigt, vor allem weil die lange Gefangenschaft und die Bedingungen der Freilassung des Königs sensationell waren. Niemals in der Geschichte wurde ein so hohes Lösegeld für eine einzelne Person bezahlt: 23 Tonnen Silber entsprachen dem dreifachen Jahresetat des englischen Staates. Angereichert wurden die historischen Fakten mit der frei erfundenen, aber rührenden Geschichte des treuen Sängers Blondel, der von Burg zu Burg zieht, um seinen Herrn ausfindig zu machen, und mit den sentimentalen Geschichten um den edlen Briganten Robin Hood, der für die Armen und Entrechteten kämpft. Richard Löwenherz hat freilich schon zu Lebzeiten an dem Flair, das von ihm ausging, nach Kräften mitgewirkt und die Empfindungswelt seiner Zeit mit phantastischen Geschichten um seine Person reichlich bedient.

Speyer als Ausstellungsort bot sich an, weil auf dem Hoftag zu Speyer im März 1193 die Anklage und öffentliche Anhörung Richards stattfand und es auch zu einer öffentlichen Aussöhnung zwischen dem englischen König und Kaiser Heinrich VI. kam. Zudem wurde Löwenherz auf der unweit gelegenen Reichsburg Trifels bei Anweiler festgesetzt.

Seine Mutter Eleonore zog als Königin die Fäden

Die Ausstellung ist in vier Stationen gegliedert, in denen die Geschichte, die sich um Richard Löwenherz rankt, skizzenhaft nachgezeichnet wird. In der ersten Abteilung werden die Machtgruppierungen in jenem konfliktreichen 12. Jahrhundert vorgestellt, um die Widersprüchlichkeit Richards auf der politischen Bühne der miteinander konkurrierenden europäischen Königreiche und Dynastien, der verzwickten Allianzen, Diplomatie und Heiratspolitik, der Kontroversen zwischen England und dem Angevinischen Reich zu zeigen. Da kommt ein ziemlicher Hexenkessel zusammen: die heftigen Auseinandersetzungen um die englische Thronfolge, die Konflikte zwischen Krone und Geistlichkeit, Aufstände des Adels während der langen Abwesenheit des Königs, Kriege um den englischen Festlandsbesitz; im Deutschen Reich die Thronkämpfe zwischen Philipp von Schwaben und Otto IV., dem Welfen; dann die Kreuzzüge und das Erstarken des Papsttums. Löwenherz wird in den ganzen Wirbel hineingezogen. Seine Königsherrschaft war im wesentlichen das Werk seiner Mutter, der mächtigen Eleonore von Aquitanien, die als Königin von Frankreich und England die Fäden zog.

Wir wissen nicht, wie Richard ausgesehen hat. Die Bildnisse der Grabfiguren, die Richard und seine Eltern zeigen, sind – wie im Mittelalter üblich – idealisiert. Gipsabdrücke davon sieht man am Beginn der Ausstellung. 

Die zweite Abteilung ist dem dritten Kreuzzug gewidmet, auf dem König Richard eine führende Rolle spielte. Daß er einige Erfolge hatte – die Eroberung Zyperns, die Einnahme von Akkon, der Vertrag von Jaffa mit dem Sultan, aber auch die spektakuläre Gefangenenahme auf der Rückreise – haben der späteren Mythenbildung Vorschub geleistet. Einige besonders wertvolle Objekte werden hier gezeigt: ein Reliquiar des Wahren Kreuzes, Emailplatten eines typologischen Kreuzes von hoher künstlerischer Qualität und das Kreuzreliquiar von Mettlach.

Die dritte Station zeichnet die Umstände der Gefangennahme nach. Richard Löwenherz wurde kurz vor Weihnachten 1192 von Herzog Leopold von Österreich in der Nähe von Wien festgenommen und zunächst auf der Burg Dürnstein an der Donau inhaftiert. Nach langwierigen zähen Verhandlungen zwischen Leopold und Heinrich VI. wurde Löwenherz im Februar 1193 in Würzburg der Obhut des Kaisers unterstellt und über Speyer zum Trifels und zur Kaiserpfalz Hagenau im Elsaß gebracht. Auf dem Hoftag zu Speyer Ostern 1193 wurde ein Vertrag über die Bedingungen der Freilassung und das zu zahlende Lösegeld unterzeichnet. Aber erst nach vielen noch unvermutet auftauchenden Hindernissen erfolgte auf dem Hoftag in Mainz 1194 die Freilassung.

Die Ausstellung wirft auch einen Blick auf den staufisch-welfischen Gegensatz, auf die Verbindung der Welfen zum englischen Königshaus, auf die politischen Konflikte in England, das nach Richards Tod von seinem Bruder Johann Ohneland regiert wird. In dieses große Drama mit verwickelten Ereignissen und legendären Figuren fällt auch der Aufstieg des französischen Königtums unter Philipp II. Die Speyrer Ausstellung dokumentiert schließlich das Nachleben Richards in der Artus-Legende, im Roman (Walter Scott), in der Kunst und in phantasiereichen Filmen. Im gleichen Haus kann auch eine Familienausstellung zum Thema Robin Hood besucht werden.

Die Ausstellung „Richard Löwenherz. König – Ritter – Gefangener“ ist bis zum 15. April im Historischen Museum der Pfalz in Speyer, Domplatz 4, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Telefon: 06232/620222

 www.museum.speyer.de