© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/18 / 23. Februar 2018

Jugendsünden weglasern
Während neue Tattoo-Trends auf hohe Qualität setzen, fallen viele alte Motive in Ungnade
Boris T. Kaiser

Die Geschichte des Tattoos ist eine Geschichte voller Mißverständnisse“, könnte man, in Anlehnung an einen bekannten Werbeslogan aus den 1990er Jahren, sagen. So mancher hat seine Entscheidung für das vermeintlich lebenslängliche Körpermal später jedenfalls bitter bereut. Ob klassische Schnapsidee, Liebeserklärung an die Exfreundin oder wie auch immer geartetes Statement aus persönlichen Sturm-und-Drang-Zeiten; die Gründe für ein Tattoo sind ebenso vielfältig, wie die späteren Lebenswege der Menschen, die dazu führen, daß der eine oder andere seine „Lebensentscheidung“ unbedingt rückgängig machen will. War dies früher nur ein frommer Wunsch, gibt es heute Mittel und Wege, sich von seinen Jugendsünden reinzuwaschen. Zumindest von jenen, die man sich tief unter die Haut hat stechen lassen.

Mittels Laserbehandlungen kann man nicht nur ins Fleisch gemeißelte Rechtschreibfehler korrigieren, sondern auch ganze „Kunstwerke“ relativ einfach entfernen lassen. Anders als früher, als die Entfernung einer auch noch so häßlichen Tätowierung in Tattoo-Kreisen als absolute Todsünde galt, wird diese heute praktischerweise nicht selten gleich in den Tattoo-Studios selbst angeboten. Eine Behandlung kostet im Schnitt zwischen 80 und 100 Euro pro Stunde. Dies ist in etwa auch der preisliche Rahmen, in dem sich der marktübliche Stundenlohn eines Tätowierers bewegt. Wobei die Entfernung der Tätowierung deutlich teurer werden kann als das Stechen, da selbst bei kleineren Tattoos in der Regel mehrere Stunden nötig sind, bis diese so verblaßt sind, daß man von einer echten Entfernung sprechen kann. Wie viele Stunden genau, kommt auf die Qualität der Arbeit des Tätowierers an. Sprich: Die Entfernung eines zwar falsch geschriebenen, aber dennoch gut gestochenen Schriftzuges kann deutlich teurer werden als das Weglasern eines stümperhaften Knasttattoos. Der Schmerz ist in etwa gleich stark und ähnelt dem des Tätowierens sogar ein wenig. Wobei es beim Stechen eher ein kratzender und eben, dem Wortsinn entsprechend, stechender Schmerz ist, während das Lasern eher schmerzhaft „pritzelt“. Trotz modernster Technik kann die vollständige Entfernung auch kleiner Tattoos schon mal einige Monate in Anspruch nehmen. Auch weil aus dermatologischen Gründen dringend zu einer Pause von mindestens vier bis sechs Wochen zwischen den Behandlungen geraten wird.

Entfernen ist teilweise schmerzhafter als Stechen

Wenn nichts mehr geht, kann man seine „Schande“ immer noch mit einem neuen Tattoo, einem sogenannten Cover-Up überdecken. Wobei auch hierfür eine vorherige Aufhellung durch den Laser hilfreich sein kann. Insbesondere die klassisch schwarze Tätowierung läßt sich sonst meist, selbst mit dem besten Cover-Up, nicht so leicht „übermalen“, daß sie durch das neue Bild nicht hindurch schimmern würde. So ganz überholt ist das mit dem Tattoo als Entscheidung fürs Leben dann eben doch noch nicht.

Der anhaltende Tattoo-Trend geht derweil zu hochwertig und vor allem bunt. Zwar ist die Idee, sich ausgerechnet bei der Entscheidung für eine Tätowierung nach dem aktuellen Trend zu richten, in etwa so schlau, als würde man sich chirurgisch in die neue Jeans einnähen oder sich die „New Era Cap“ direkt am Kopf festtackern lassen, die modernen farbenprächtigen und oft großflächigen Tattoos sind aber, so man solche Körperbemalungen nicht grundsätzlich als unästhetisch empfindet, durchaus schön anzusehen. Sie sind somit nicht die schlechteste Fortsetzung einer Körperkunst, die mittlerweile ihre ganz eigene Kulturgeschichte hat.

Die Zeiten, in denen nur Seemänner und Exknackis tätowiert waren, sind lange vorbei. Musiker, Designer und Filme wie der Thriller „Tattoo“ haben dafür gesorgt, daß das einstige Sinnbild für den rebellischen Outlaw mitten im gesellschaftlichen Mainstream angekommen ist. Heute findet man kaum noch einen Fußballprofi oder ein Erotiksternchen, das nicht von Kopf bis Fuß mit dem neuen Statussymbol „zugescheppert“ ist. Das Geschäft mit der Tattooentfernung dürfte somit auf Jahrzehnte gesichert sein.