© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/18 / 09. März 2018

Aufgeschnappt
Wächter mit Gewicht
Matthias Bäkermann

Pionierbezirk war das grüne Hauptstadtbiotop Friedrichshain-Kreuzberg. Dort hatten die Sittenwächter um Chefgouvernante Monika Herrmann schon 2014 Bikini-Models als „diskriminierend und sexistisch“ von den Plakatwänden verbannt. Sogar in der weiterhin erlaubten Werbung für Prostitution sollte nicht zuviel Haut oder ein aufreizendes Lächeln sichtbar werden, da dies „den Eindruck sexueller Verfügbarkeit erwecken“ könne und damit nicht zuletzt die Würde der „SexdienstleiterInnen“ verletzen könne. Nur einige Monate später schloß sich Pankow dieser Maßnahme an und verbot damit jede Werbenacktheit in seiner regelfrommen Prenzlberg-Hygge. 

Daß jetzt auch Berlin-Mitte nachzieht, ist nicht nur folgerichtig und wird ganz besonders auch alle schariatreuen Imame im zum Bezirk gehörigen Wedding freuen. Die vorige Woche gegründete neunköpfige „Werbejury“ um die Gleichstellungsbeauftragte Kerstin Drobick hat jedoch den Diskriminierungskatalog um einige Attribute (a bis h) ausgeweitet. So darf Werbung künftig auch „nicht mehr zum Haß aufstacheln“, womit auch diskriminierend deutbare Hinweise auf Körperform oder Gewicht gemeint sind. Leute wie Rainer „Calli“ Calmund könnte eine rigorose Auslegung damit bald von Berlins Litfaßsäulen vertreiben.