© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/18 / 09. März 2018

Erst das Land, dann die Partei
AfD-Mitgründer: Der Publizist Konrad Adam ist von Anfang an dabei / „Koalitionsfähig werden“
Christian Vollradt

Herr Dr. Adam, vorneweg ein Bekenntnis: Als die Nachricht von der geplanten Gründung einer neuen liberal-konservativen Partei eintrudelte, war die erste Reaktion bei nicht wenigen hier im Hause: Nicht schon wieder das nächste Null-Komma-X-Projekt! Sie waren offenbar zuversichtlicher – warum? 

Adam: Mit Null-Komma-X-Projekten meinen Sie vermutlich Unternehmungen wie die Schill- oder die Statt-Partei, wie die Reps oder den Bund freier Bürger. Diesen Eintagsfliegen hatte die AfD von Anfang an ein Thema voraus, das jeder verstand und jeden empörte. Ich meine die skandalöse Umverteilung von unten nach oben, die unsere Währungspolitiker betreiben, indem sie den Banken Milliardengewinne auf Kosten der Steuerzahler, lauter kleiner Leute also, zuschieben. Die Hypo Real Estate war nicht das erste, die HSH-Nordbank wird nicht das letzte Beispiel für diese Art von Rettungspolitik sein: Wasser auf die Mühlen der AfD.

Zur ersten öffentlichen Veranstaltung am 11. März 2013 kamen über tausend Teilnehmer. Hatten Sie mit soviel Zuspruch gerechnet?

Adam: Der Andrang kam nicht überraschend. Nachdem die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung das Datum, den 11. März, bekannt gemacht hatte, war das Interese der Medien erwacht. Tatsächlich wimmelte die Oberurseler Stadthalle von Pressevertretern aus dem In- und Ausland,  bevor die ersten Gäste eingelassen wurden. Am Ende waren es weit mehr als tausend.

Welchen Anteil hat der frühere CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe an der „Geburt“ der AfD? Würde es die Partei überhaupt geben, wenn Ihnen und den anderen Besuchern vom konservativen „Berliner Kreis“ einst im Konrad-Adenauer-Haus besseres Essen sowie ein guter Wein kredenzt und Ihrem Anliegen mehr Gehör geschenkt worden wäre?

Adam: Ich hatte den Berliner Kreis bereits verlassen, ehe Hermann Gröhe Gelegenheit bekam, ihn zu enttäuschen. Nachdem wir uns zwei oder dreimal getroffen hatten, stellte Christean Wagner, der Chef der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag, die naheliegende Frage, was dieser Kreis denn nun zu tun gedächte. Die Antwort hieß: Wir brauchen einen Termin bei Angela Merkel. Und, als der nicht zustande kam: Dann eben einen bei Ronald Pofalla. Der konservative CDU-Flügel erwies sich schon damals als jene Hohlform, als die er sich immer wieder blamiert hat. Mit diesen Helden ist nichts anzufangen.

Vom ersten Vorsitz-Triumvirat sind nur noch Sie in der Partei, Bernd Lucke und Frauke Petry gingen im Streit. Aus der Führung haben auch Sie sich zurückgezogen. 

Adam: Auch wenn Bernd Lucke selbst zu seiner Abwahl beigetragen hat, indem er versuchte, einen Parteivorstand wie ein Oberseminar zu führen: die Umstände, unter denen er in Essen aus dem Haus gejagt worden ist, waren unwürdig, sie hängen der Partei bis heute nach. Denn nach ihm kamen die dunklen Ehrenmänner und -frauen, die aus der Politik ein Geschäft machen wollen und Mandate, einträgliche Mitgliedschaften und gut dotierte Beraterverträge sammeln wie andere Leute Briefmarken. Daß die Volksvertretung ein Amt ist, das den vollen Einsatz fordert, haben sie nicht verstanden, wollen sie auch nicht verstehen. Um glaubwürdig zu bleiben, sollte sich die AfD von solchen Leuten schleunigst trennen.

Fünf Jahre nach Gründung ist die AfD drittstärkste Kraft im Bundestag und Oppositionsführerin. Dennoch gilt die Partei weiter als „gäriger Haufen“, scheint die Frage, ob man Fundamentalopposition betreiben oder koalitionsfähig werden will, noch nicht entschieden zu sein. Muß dieser Widerspruch nicht bald aufgelöst werden?

Adam: Er sollte, aber nach welcher Seite? Es mag im Interesse der Partei liegen, die Rolle der Fundamentalopposition noch ein paar Jahre weiterzuspielen. Für das Land wird es dann aber definitiv zu spät sein, es ist ja jetzt schon eher fünf nach als fünf vor zwölf. In dieser Lage sollte die AfD weniger an sich als an das Land denken und alles tun, um sich gesprächsbereit und koalitionsfähig zu erweisen.






Dr. Konrad Adam, Jahrgang 1942, war Feuilletonredakteur der FAZ und Chefkorrespondent der Welt. Er gründete die Alternative für Deutschland mit und war bis Juli 2015 einer von drei Bundessprechern.