© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/18 / 09. März 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Warste was, biste was
Paul Rosen

Heute erinnert sich kaum noch jemand an Ingrid Matthäus-Maier. Sie war erst FDP- und später SPD-Politikerin und Expertin für Haushaltsfragen. Irgendwann war Matthäus-Maier die Politik leid und suchte einen schönen neuen Job. Die SPD fand für sie den Posten der Vorstandsvorsitzenden der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). 

Auf dem Chefposten des Spezialinstituts ließ es sich gut leben – bis zur Finanzkrise. Matthäus-Maier bekam nicht mit, daß die unter dem KfW-Dach operierende IKB-Bank mit hochriskanten Immobilienkrediten in den USA spekulierte. Als der IKB die Pleite drohte und sie mit zehn Milliarden Euro gestützt werden mußte, trat Matthäus-Maier zurück und verschwand aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. 

Geblieben ist das Problem. Politiker streben nach Posten, für die ihre Qualifikation oft zu bezweifeln ist. Sie wollen versorgt werden, sobald Diäten, Ministergehälter und Übergangszahlungen wegfallen. 

Der jüngste Fall ist die frühere Grünen-Vorsitzende Simone Peter, die Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) wird. Sie hat schon aufgrund der Parteizugehörigkeit gute Beziehungen zu den Energiewendern im Bundestag. Ihr Vorgänger, Fritz Brickwedde, war Regierungssprecher von Ernst Albrecht (CDU) in Nieder-sachsen gewesen. 

Beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der die Stadtwerke vertritt und mit dem BEE zusammenarbeitet, wird Peter auf eine Kollegin aus der Politik treffen: Katherina Reiche (CDU) ist dort aktiv. Als die FDP 2013 aus dem Bundestag ausschied, wanderten ihre Politiker zu Verbänden und Unternehmen. Der ehemalige Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel heuerte beim Rüstungskonzern Rheinmetall an, der frühere Gesundheitsminister Daniel Bahr ging zur Allianz, die in großem Stil auch als Krankenversicherer aktiv ist. 

Der ehemalige Kanzleramtsstaatsminister Eckart von Klaeden (CDU) ging zu Daimler, konnte aber ebensowenig wie der frühere Verkehrsminister Mat-thias Wissmann (CDU), der zum Verband der Automobilindustrie gegangen war, verhindern, daß die Abgas-Debatte völlig aus dem Ruder lief. Kanzleramts-chef Ronald Pofalla (CDU) ist jetzt Vorstand bei der Bahn. 

Etliche Ex-Abgeordnete sind bei Verbänden und Unternehmen untergekommen und oft zu sehen, wie sie mit ihren MdB-Nachfolgern im Lobbyisten-Treffpunkt Café Einstein zusammensitzen. Viele Beratungsfirmen in Berlin haben sich ein Netz aus Ex-Politikern aller Fraktionen geschaffen, die bei guter Bezahlung Kontakt in den Bundestag halten. 

Ein Gesetz soll den Strom von Politikern zu Wirtschaft und Unternehmen drosseln. Danach dürfen ehemalige Regierungsmitlieder erst dann einen anderen Posten annehmen, wenn sie ein Jahr Karenzzeit hinter sich haben. In vielen Fällen ist das genau der Zeitraum, in dem Ex-Regierungsmitglieder noch Übergangsgeld vom Staat erhalten, so daß sie keine Not leiden müssen.