© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/18 / 09. März 2018

Grüße aus Warschau
Uninspirierte Tristesse
Claus Wolfschlag

Geht es nach dem Willen hochrangiger polnischer Politiker, wird Warschau bald ein Wahrzeichen verlieren. Mateusz Morawiecki, zuvor Wirtschafts- und Finanzminister, seit Dezember Ministerpräsident, und Kulturminister Piotr Glinski haben sich für den Abriß des Kulturpalastes in Polens Hauptstadt stark gemacht. Morawiecki äußerte, daß das Gebäude aus den 1950er Jahren als „Relikt der kommunistischen Herrschaft“ aus dem Stadtzentrum verschwinden sollte. 

Schließlich habe auch die zweite polnische Republik in den zwanziger Jahren die Alexander-Newski-Kathedrale als „Symbol für die Herrschaft des verhaßten russischen Okkupanten“ abgerissen. Unterstützung fanden die beiden Politiker der nationalkonservativen Regierungspartei PiS beim ehemaligen Außenminister Radoslaw Sikorski von der liberal-konservativen Bürgerplattform, der für einen zentralen Park plädierte, mit Rasen und einem See, à la Hyde Park in London oder Central Park in New York.

Der Zuckerbäcker-Wolkenkratzer ist der einzige architektonische Lichtblick.

Die Argumente sind primär symbolpolitischer Natur, halten städtebaulichen Kriterien indes nicht stand, zumal die Warschauer Innenstadt nicht nur mit dem Lazienki-Park, dem Ujazdów-Park oder dem Sächsischen Garten bereits über ausgedehnte Grünanlagen verfügt. 

Verläßt man den unübersichtlich ausgeschilderten und chaotisch organisierten Warschauer Zentralbahnhof, in dem Reisende ratlos den richtigen Bahnsteig suchen und von achselzuckenden Zugbegleitern stehengelassen werden, steht man bereits vor ihm. 237 Meter ragen hinter den Reihen wartender Taxis verspielt empor. „Könnten Sie ein Foto von mir machen?“ Zwei Frauen lachen: „Wirklich? Vor diesem Gebäude?“

Doch der ursprünglich nach Stalin benannte Zuckerbäcker-Wolkenkratzer, ein Mix aus Moskauer sozialistischem Klassizismus und polnischen Regionalelementen, ist der einzige architektonische Lichtblick in dem Areal. Was dahinter folgt, sind triste Wohnblocks, oft uninspirierte moderne Hochhäuser. Dazwischen wenige isolierte Gründerzeitgebäude sowie die Allerheiligenkirche mit dem Denkmal Papst Johannes Pauls II., die die Zerstörungen des Krieges überlebt haben. Eine Freude, wenn man endlich die ausgedehnte, nach dem Krieg rekonstruierte Altstadt erreicht. Straßenmusiker, Cafés und ein angenehm moderiger Geruch lassen die Tristesse des Weges vergessen.