© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/18 / 09. März 2018

Starker Druck von allen Seiten
Frankreich: Kurz vor dem wegweisenden Parteitag versuchen der Front National und seine langjährige Chefin einen Neustart
Friedrich-Thorsten Müller

Ein ereignisreiches Wochenende liegt vor den Mitgliedern des Front National in Frankreich. Am 10. und 11.  März findet im nordfranzösischen Lille der 16. Kongreß des FN statt und soll vorläufiger Höhepunkt der von Marine Le Pen geplanten „Neugründung“ der Partei werden.

Im Vorfeld war zunächst auf einen großen Eklat durch den fast 90jährigen Vater der heutigen Vorsitzenden, Jean-Marie Le Pen, spekuliert worden. Der 2015 ausgeschlossene Parteigründer – und per Gerichtsurteil trotzdem noch Ehrenvorsitzende – wollte sich ursprünglich „zur Not gewaltsam“ Zutritt zu dem Kongreß verschaffen, da in Lille auch die Umbenennung der Partei auf der Wunschliste seiner Tochter steht. Inzwischen tat Le Pen senior aber über die Medien kund, daß er nicht „Komplize der Ermordung des Front National“ werden wolle und sich lieber auf Vorlesetour für seine gerade mit großem Echo veröffentlichten Memoiren begeben wird.

Da auch Marion Maréchal-Le Pen, die Nichte der Vorsitzenden, dem Parteitag fernbleiben will, dürfte zumindest der an die Serie Dallas erinnernde Le Pensche Drei-Generationen-Konflikt keine neue Nahrung bekommen. Die attraktive und beliebte 28jährige Enkelin des Seniors, gilt als eher weiter rechts stehende stille Kritikerin ihrer Tante und langfristig als mögliche „Erbin“ des Parteivorsitzes. 

Sie war zuvor fünf Jahre lang Abgeordnete in der Nationalversammlung und hatte sich nach der Niederlage ihrer Tante bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr bis auf weiteres aus der Politik zurückgezogen, um sich – wie sie sagte – um ihre dreijährige Tochter zu kümmern. 

Front National – klingt zu militärisch

Selbst bei einer zurückhaltenden Parteitagsteilnahme hätte sie Marine Le Pen aber jederzeit die Schau stehlen können. Das tat sie in den letzten Wochen nun lieber durch Annahme einer Einladung der „Conservative Political Action Conference“ (CPAC) in den USA. Dort durfte sie nach dem amerikanischen Vizepräsidenten Mike Pence und noch vor Präsident Donald Trump sprechen und den transatlantischen Schulterschluß verkünden: „Mich schockt nicht, wenn Donald Trump sagt ‘Amerika zuerst’. Ich möchte Amerika zuerst für die Amerikaner, Großbritannien zuerst für die Briten und Frankreich zuerst für die Franzosen“, verkündete sie dort unter dem Beifall der Teilnehmer. Als ihre Tante während ihres Wahlkampfes im vergangenen Jahr die USA besuchte, konnte sie dagegen nicht einmal einen Händedruck von Trump erhaschen.

Das Programm des FN-Kongresses wird sehr dicht gedrängt sein, selbst wenn die wichtigsten Wahlen und Abstimmungen satzungsgemäß bereits im Vorfeld per Mitgliederentscheid stattfanden. Über 51.000 Mitglieder waren in den vergangenen Wochen aufgefordert, per Urwahl einen neuen Vorstand und ein hundertköpfiges „Zentralkomitee“ zu wählen. Dem Parteitag obliegt diesbezüglich lediglich die Aufgabe, die Ergebnisse bekanntzugeben, wobei mit großen Überraschungen – zumindest an der Spitze – nicht zu rechnen ist.  

Zwar gab es zunächst Interessenten, Marine Le Pen als Vorsitzende herauszufordern. Letztlich ist es aber keinem Bewerber gelungen, die dafür satzungsgemäß notwendigen Unterstützungsunterschriften aus der regionalen Funktionärsebene zu gewinnen. Damit dürfte Marine Le Pen auch weiterhin die Geschicke der Partei lenken.

Mit Spannung wird dagegen die geplante Debatte über die zukünftige inhaltliche Ausrichtung der Partei erwartet. 

Marine Le Pen und der Front National stehen aktuell unter massivem politischen Druck. Sowohl die deutlich nach rechts gerückten bürgerlichen „Republikaner“ unter ihrem Vorsitzenden Laurent Wauquiez (JF 10/18) als auch die extrem europafeindliche FN-Abspaltung „Die Patrioten“ des früheren Le Pen-Vize Florian Philippot zielen auf die Kernwählerschaft des Front National. 

Die vielfach pragmatische Politik Präsident Macrons tut darüber hinaus ihr übriges, für klassisch rechte Themen wie Einwanderungskritik weniger Angriffsfläche zu bieten. Um keinen Fehler zu machen setzt Marine Le Pen darum auch hier auf Basisdemokratie: Sämtlichen Mitgliedern wurde ein Fragebogen mit etwa 80 Fragen zugesandt, der von immerhin 27.000 Mitgliedern auch beantwortet wurde. 

Man darf gespannt sein, wie sich die Basis zu Themen wie dem Euro-Ausstieg oder einer möglichen Namensänderung des FN positioniert – und wie der Vorstand damit umgehen wird. Auf jeden Fall will Marine Le Pen am Sonntag nachmittag einen neuen Namen für den ihrer Meinung nach zu militärisch klingenden „Front National“ ins Spiel bringen und auch diesen Vorschlag dann in den nächsten Monaten einem bindenden Mitgliederentscheid unterwerfen.