© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/18 / 16. März 2018

Aus heiterem Himmel gekommen
Asyl: Der Anteil der Einreisen über die Flughäfen steigt
Felix Krautkrämer, Christian Vollradt

Konsequentere Abschiebungen und ein „Masterplan“ für schnellere Asylverfahren: Innen- und Heimatminister Horst Seehofer hat noch vor Einzug in sein neues Amtsdomizil eine härtere Gangart in Sachen Migrationspolitik angekündigt. Und in einem weiteren Punkt markiert der neue den starken Mann: Die Kontrollen an Deutschlands Grenzen bleiben so lange, bis der Schutz der EU-Außengrenzen effektiv und wirksam sei. 

So unkontrolliert wie noch vor rund zwei Jahren gelangt niemand mehr auf dem Landweg hierher. Die Einreise Hunderttausender Flüchtlinge gehöre der Vergangenheit an, versichert die Bundesregierung stets. Doch auch im vergangenen Jahr kamen 198.317 Personen, die einen Asyl­erstantrag stellten. Von ihnen will das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) auch die Reiserouten erfahren; also wie die Flüchtlinge in die Bundesrepublik gekommen sind – ob zu Fuß, per Bahn, mit dem Auto, dem Bus oder dem Flugzeug. Bereits im vergangenen Jahr teilte das Bamf auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit, daß diese Daten zwar erhoben, nicht aber statistisch erfaßt würden.

„Vertuscht, vernebelt      und verschleiert“

Etwas mehr Klarheit bringt dagegen nun eine Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten Leif-Erik Holm an die Bundesregierung. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende hatte gefragt, wie hoch der Anteil derjenigen Asylsuchenden sei, die bei der Befragung durch das Bamf angegeben hätten, mit dem Flugzeug nach Deutschland gekommen zu sein. Die Antwort des Bundesinnenministeriums hat es in sich: fast 30 Prozent.

Die Informationen der zuständigen Staatsekretärin Emily Haber sind auffallend ausweichend formuliert. Seit Februar 2017 sei etwa ein Drittel aller Asylantragsteller ab 14 Jahren in den Ankunftszentren nach ihrem Reiseweg befragt worden. Die Daten würden aber ausschließlich „für den Dienstgebrauch gewonnen“.

Da derzeit nur Schutzsuchende aus neun Hauptherkunftsländern und ausgewählten wichtigen Herkunftsregionen befragt würden, seien die Zahlen statistisch nicht repräsentativ. Auch könnten die Antworten der Befragten nicht überprüft werden. Nach insgesamt vier vorangestellten erläuternden Absätzen kommt Haber schließlich zum Punkt: „Unter Berücksichtigung des Vorgenannten wird mitgeteilt, daß etwas weniger als ein Drittel der befragten Schutzsuchenden nach ihren Angaben mit dem Flugzeug nach Deutschland eingereist ist.“

Nun sind keine zivilen Direktflüge aus den großen Krisengebieten und Hauptherkunftsländern wie Syrien oder Afghanistan nach Deutschland möglich. Es stellt sich also die Frage, von wo aus die Asylsuchenden starteten. Nach Informationen der JF nutzte ein Großteil von ihnen Flugzeuge aus Griechenland, Italien und der Türkei. Die dortigen Behörden scheinen sie also nicht an der Weiterreise nach Deutschland gehindert zu haben. Interessant ist auch, daß sie über ausreichend Geld sowie die notwendigen Papiere verfügten, sich ein Flugticket zu kaufen. Da Italien und Griechenland zum Schengenraum gehören, wären sie gemäß dem Dublin-Verfahren auch für ein Asylverfahren der Betreffenden zuständig. Doch auch das ist mittlerweile eher Theorie. In der Praxis stellte Deutschland im vergangenen Jahr 64.267 Übernahmeersuche gemäß Dublin an andere Staaten; 46.873 wurden positiv beschieden, 15.144 abgelehnt. Doch tatsächliche überstellt wurden im selben Zeitraum nur 7.102 Personen. Im Fall von Italien stehen 22.706 Ersuchen lediglich 2.110 Überstellungen gegenüber. Bei Griechenland ist das Verhältnis 2.312 zu null. 

AfD-Fraktionsvize Holm verlangt daher, daß die Asylbehörden die Angaben der Flüchtlinge überprüfen, wenn dies möglich ist. Im Fall von Asylsuchenden, die behaupten, mit dem Flugzeug nach Deutschland gekommen zu sein, dürfte dies keine große Schwierigkeit sein.

„Die Bundesregierung muß lückenlos aufklären, ob die Angaben der Asylantragsteller zutreffen und von wo genau sie nach Deutschland einreisen. Und sie muß diesen Zustand gegebenenfalls abstellen“, forderte er gegenüber der JF. „Wenn tatsächlich jeder dritte Asylbewerber mit dem Flugzeug nach Deutschland einreist, wäre das ein ungeheuerlicher Skandal. Ich frage mich, wie das anhand der geltenden Regeln überhaupt möglich ist.“

Er könne zudem nicht nachvollziehen, warum die Informationen über die Reiserouten nur für den Dienstgebrauch des Ministeriums gesammelt würden. Eine solche Geheimniskrämerei erwecke den Eindruck, daß die Bundesregierung die Folgen ihrer katastrophalen Asylpolitik weiter „vertuscht, vernebelt und verschleiert“, kritisierte der AfD-Abgeordnete.

„Es kann nicht sein, daß am Ende Personen Asyl oder zumindest temporäres Bleiberecht erhalten, die sich auf widerrechtliche Weise den Transport nach Deutschland erschlichen haben.“ Ein Bleiberecht auf Basis von Rechtsverstößen sei den Bürgern, die mit den Folgen der Migrationskrise leben müßten, nicht vermittelbar.

Auf Anfrage der JF teilte ein Sprecher der Bundespolizei mit, daß die Beamten im vergangenen Jahr 50.154 Personen bei der unerlaubten Einreise aufgegriffen haben. Auf dem Höhepunkt der Asylkrise 2015 waren es noch 217.000. Auch hier ist eine Änderung der Reisewege festzustellen: Kamen 2015 noch vier von fünf Illegalen über den Landweg von Österreich nach Deutschland, so gilt für 2017: 16.565 unerlaubte Einreisen erfolgten auf der Straße, 19.465 per Bahn und 11.220 über Flughäfen. Regelmäßige Kontrollen finden allerdings nur an der deutsch-österreichischen Grenze und im „Schengenbinnenluftverkehr“ zu Griechenland statt.