© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/18 / 16. März 2018

Nur einen Teil der Taten erfaßt
Sexuelle Ausbeutung in England: Pakistanische Zuhälter-Gang mißbraucht weitaus mehr Kinder und Jugendliche im englischen Telford als vermutet
Thorsten Brückner

Die Liste ist lang. Derby, Telford, Rochdale, Rotherham, Manchester und Oxfordshire. Allein in der nordenglischen Stadt Rotherham wurden zwischen 1997 und 2013 rund 1.400 weiße Kinder und Jugendliche von einem pakistanischen Kinderschänderring vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen. 

Bereits im Oktober 2014 stellte eine Untersuchung für den Großraum Manchester fest, daß in verschiedenen Stadtteilen ähnliche Zustände herrschten. Aus Angst, als „rassistisch“ gebrandmarkt zu werden, wurde beiseite geschaut. Ein im März 2015 veröffentlichter Bericht warf den Behörden der Grafschaft Oxfordshire vor, bei der sexuellen Ausbeutung von mindestens 373 minderjährigen weißen Mädchen systematisch weggeschaut zu haben (JF 12/15). Der damalige Premier David Cameron sprach von einem Mißbrauch „im industriellen Ausmaß“ und einer „nationalen Bedrohung“. 

Das Vorgehen der Täter war stets ähnlich. Als Opfer wurden gezielt Mädchen der weißen Unterschicht ausgesucht, denen durch aggressives Nachstellen Zuneigung vorgespielt wurde („grooming“). Durch Gewalt, Drogen und Alkohol wurden diese gefügig gemacht und in Tauschringen herumgereicht. Vor der Polizei mußten sich die Täter dabei kaum fürchten. „Was mit den minderjährigen Opfern der sexuellen Ausbeutung in Oxfordshire passierte, war unbeschreiblich grausam“, erklärte Alan Bedford, der die Fälle 2015 untersuchte. Folter und Gruppenvergewaltigungen waren gang und gäbe. Anlaß für die Untersuchung war im Jahr 2013 die Verurteilung von neun Männern pakistanischer und somalischer Herkunft zu mehrjährigen Haftstrafen im Rochdale-Prozeß. Bedfords Bericht bestätigte, nur einen Teil der Taten erfaßt zu haben. 

Ähnlich verhält es sich nun im mittel-englischen Telford. Bis zu 1.000 Kinder sollen laut einer 18monatigen Recherche des Mirror in der 170.000-Einwohner-Stadt seit Beginn der achtziger Jahre unter Drogen gesetzt, vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen worden sein.Auch in Telford waren die Täter mehrheitlich Muslime. Dort erfaßten laut Mirror die Behörden jahrelang nicht die Daten der Täter aus Angst vor Rassismusvorwürfen. Die Mädchen und jungen Frauen galten bei den Verantwortlichen der Stadt als gewöhnliche Prostituierte.

Den Unterlagen zufolge sollen die Behörden mindestens zehn Jahre von den Vorfällen gewußt haben, bevor im Jahr 2010 die „Operation Chalice“ begann, die den Mißbrauch aufdeckte. Nach einem zweijährigen Prozeß verurteilte ein Gericht sieben Pakistaner zu teils langjährigen Haftstrafen. Die Richter befanden sie im Mai 2013 für schuldig, vier junge Mädchen vergewaltigt und zur Kinderprostitution gezwungen zu haben. Schon damals ging die Polizei von rund 200 Tatbeteiligten aus. Weitere Untersuchungen verliefen im Sande.

In einem Fall mußte demnach erst ein Abgeordneter des Unterhauses intervenieren, damit die Polizei den Vorfall untersuchte. Die Investigativjournalisten des Mirror sprachen mit zwölf Opfern. Diese gaben an, daß der Mißbrauch noch bis vor wenigen Monaten weitergegangen sei und bis zu 70 Täter involviert seien. Demnach gab es sogar  Todesfälle. Die 16jährige Lucy Lowe starb zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester im Jahr 2000, als einer der Täter ihr Haus niederbrannte. Der Mord sollte als Abschreckung dienen. Der Täter Azhar Ali Mehmood wurde zwar 2001 zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt, nicht aber in Zusammenhang mit den Mißbräuchen gebracht.