© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/18 / 16. März 2018

Volkswagen gegen Toyota
Industriepolitik I: VW-Bilanzpressekonferenz in Berlin / Die Diesel-Kontroverse beschäftigt auch die Aussteller auf dem Genfer Autosalon
Christian Schreiber

Alles ist relativ: Bei 10,7 Millionen weltweit verkauften Autos, 230,7 Milliarden Euro Umsatz und einem operativen Ergebnis von 13,8 Milliarden Euro ist die Gesamtvergütung von 10,2 Millionen Euro, die der Oberbayer Matthias Müller als VW-Konzernchef für 2017 erhält, wohl angemessen. Der Amerikaner Bill McDermott, Vorstandsvorsitzender des deutschen Softwareherstellers SAP hat voriges Jahr 21,8 Millionen Euro kassiert.

Angesichts von bislang 26 Milliarden Dollar, die Audi, Porsche und Volkswagen ihre Hybris gekostet hat, US-Autokäufern Schummeldiesel aufzuquatschen, sind jene 400 Millionen Euro, die die Wolfsburger Konzernführung in die Umrüstung der firmeneigenen Steinkohlekraftwerke auf Erdgas-Betrieb investieren will, „Peanuts“. Fragen jedoch nach dem, was er nach seinem Vertragsende 2020 plant, wich Müller auf der Bilanzpressekonferenz am Dienstag in Berlin aus. Für Gasprom oder Qatargas wäre der 64jährige qualifiziert mit seinem Bekenntnis, das Erdgas (als Alternativkraftstoff) ihm „besonders am Herzen“ liege.

Doch die journalistischen Nachfragen betrafen allerdings die Zukunft des Dieselmotors – und der ist für den gelernten Werkzeugmacher und studierten Informatiker weiterhin unverzichtbar. Zum Diesel bekannte sich Müller auch schon vorige Woche auf dem Genfer Autosalon – dem traditionellen Stelldichein der schönen und starken Edelkarossen: „Der Diesel wird in absehbarer Zeit eine Renaissance erleben“, prophezeite Müller. Man könne auf die Selbstzünder nicht verzichten, wolle man die Emissionsvorgaben der EU erreichen – und drohende CO2-Strafzahlungen vermeiden.

In Genf wie in Berlin erteilte er politisch-medialen Forderungen eine Absage, die durch hohen Stickoxidausstoß auffälligen Euro-5-Diesel-Pkws mittels technischer Nachrüstung etwas umweltfreundlicher zu machen. Dies dauere angeblich zu lange. Ehrlicher war da in Genf Hans Michel Piëch, einer der Wortführer der VW-Eigner-Familie Porsche/Piëch: „Es ist sinnvoller, über Prämien Neuwagen zu verkaufen, als alte Fahrzeuge nachzurüsten.“ Welche Umweltbilanz aber sein Vorschlag hat, noch bis 2015 als „neu“ verkaufte Diesel-Pkws auszumustern, verrät Großaktionär Piëch nicht.

Mit seinem lauten Dieselvertrauen blieb Müller in Genf sehr einsam. Nissan – seit 1999 in einer Konzernallianz mit Renault und seit 2010 auch mit Daimler verbandelt – bietet seit November 2017 Käufern seiner SUV-Modelle Qashqai und X-Trail für 500 Euro Aufpreis eine „Innenstadtgarantie“ an: Im Falle eines Fahrverbots können sie ihren finanzierten Diesel „jederzeit zurückgeben“. BMW zog nun nach: Kunden mit Leasingvertrag für einen Neu- oder Vorführdiesel können in einen „Anschlußvertrag“ wechseln – sollten „in einem Umkreis von 100 Kilometern um den Erstwohnsitz oder die Arbeitsstätte des Leasingnehmers Fahrverbote in Kraft treten“.

Der, nach VW, zweitgrößte Autohersteller der Welt, Toyota, bekräftigte in Genf seinen Dieselabschied: „Sie werden fragen, wo ist der Diesel? Ich sage ihnen, es gibt keinen“, erklärte Johan van Zyl, Chef von Toyota Europa/Südafrika. Die Japaner tun sich leicht damit: ihre Dieselmotoren kamen zuletzt ohnehin meist von BMW. Und auf den Hauptmärkten Asien, Australien, Japan, Südamerika und USA werden Benziner nachgefragt. Seit 20 Jahren setzt Toyota zudem auf Hybridantriebe – die Kombination von Benzin- und Elektroantrieb. Anfangs belächelt, nutzt Toyota diese Innovation nun fürs eigene Öko-Image. Daß Prius, RAV4 oder Auris sich für die Taxibranche rechnen, hat sich herumgesprochen – doch für deutsche Außendienstler, Weitstrecken-Pendler oder Vertreter ist der Diesel wegen der exorbitanten Benzinbesteuerung weiter alternativlos.

Toyota hat voriges Jahr 718.000 Autos (Dieselanteil: zehn Prozent) in Europa verkauft. Marktführer VW kam dagegen auf 3,72 Millionen – davon fast die Hälfte Diesel. Porsche bietet allerdings derzeit kein Diesel-Modell an. Bei Škoda und Seat wird der Diesel aus den Kleinwagen verbannt. Bei der FCA-Gruppe (Alfa Romeo, Chrysler, Dodge, Fiat, Jeep, Ram) dürfte der Diesel wohl auch aus dem Angebot fliegen. Konzernchef Sergio Marchionne trimmte FCA auf Rendite – und eine echte Dieselabgasreinigung ist künftig einfach zu teuer.

Die auf dem Autosalon im Scheinwerferlicht stehenden reinen Elektro- oder Wasserstoff-Brennstoffzellenfahrzeuge sind hingegen nur Potemkinsche Dörfer für Politiker und Medien: Der Bestand an Elektro-Pkws stieg in Deutschland 2017 zwar auf 53.861 – bei über 46,2 Millionen herkömmlichen Pkws.

Der 88. Internationale Autosalon läuft noch bis 18. März in den Genfer Palexpo-Hallen.

 www.gims.swiss