© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/18 / 16. März 2018

Zeitschriftenkritik: 79Oktan
Die DDR auf Rädern
Albrecht Andreas Harlaß

Beim Blick auf das Titelbild ist sofort der Zweitaktgeruch wieder da: Es riecht nach Ölgemisch und man hört das Motorenklingeln des einst an der Chemnitzer Kauffahrtei produzierten Barkas „B 1000“. Das Kopfkino erinnert zudem an dicke, blaue Abgasschwaden, die beim Anlassen dieser automobilen Allzweckwaffe alles Nahe einhüllten. 

79Oktan ist eine viermal im Jahr erscheinende  Zeitschrift, in der es ausschließlich um Autos aller Art in der DDR geht. Der „B1000“ mußte quasi für alles herhalten: Krankenwagen, Polizeiauto, Leichentransport, Post, Feuerwehr, Lieferwagen – als Pritsche oder geschlossen – er war die DDR auf Rädern. Knapp 180.000 Stück wurden von 1961 bis 1991 produziert, danach die Fertigungsstrecke demontiert und nach Rußland verkauft.

Andere Beiträge im Heft widmen sich dem vierzig Jahre alten „Lada Niva“ – das „G-Modell“ für Jäger und Geländeliebhaber des Ostens. Eine Reise-Reportage unter dem Titel „Friedensfahrt in Rußland“ beschreibt die Unverwüstlichkeit des russischen Geländewagens. Allein die Überschrift „Friedensfahrt“ ist eine subtile Hommage an die DDR. Immerhin hieß das bedeutendste Radrennen im Osten auch so. Im Zeitschriften-Impressum nennt sich die Redaktion zudem „Kollektiv“. 

Ein wissenschaftlich aufbereiteter Artikel arbeitet die „Historie der DDR-Kraftfahrzeugindustrie“ auf und weist im Stückzahl-Vergleich mit damaligen westdeutschen Autos, wie VW-Käfer, Opel-Kadett und VW-Golf, anhand von Verkaufsdiagrammen nach, daß die DDR-Automobilwerke zu keinem Zeitpunkt bedarfsgerechte und wirtschaftliche Produktionsstückzahlen erreichten. Im Gegenteil! Die DDR-Pkw belasteten die sozialistische Wirtschaft, was auch erklärt, daß innovative Entwicklungen aus Zwickau, Eisenach und Chemnitz nie zur Produktion zugelassen wurden.

Komplett „ostalgisch“ wird es im Bericht über das 16. Internationale Ostblocktreffen in Pütnitz (Mecklenburg-Vorpommern). DDR-Romantiker trafen sich dort mit allem, was sie für typisch DDR halten. Egal, ob NVA-Schwimmpanzer (natürlich demilitarisiert), Simson-Moped, MZ-Beifahrer-Gespann, Kübel-Trabi oder Oldtimer, Marke „Warzawa“ (Warschau). Das Treffen fand auf dem früheren Russenflugplatz auf einer Insel im Ribnitzer Bodden statt. Von dort donnerten einst die „MiGs“ in so geringer Höhe über die Ribnitzer Wohnhäuser, daß man erkennen konnte, ob der Pilot nach dem Essen einen Zahnstocher zur Hand hatte – oder eben nicht. Das Treffen soll in diesem Juli wiederholt werden.

In der ansprechend gestalteten Zeitschrift mit sehr guten Fotos und Grafiken geht es zudem noch um die legendäre DDR-Staatskarosse „Tatra“ aus der Tschechoslowakei, um Rostvorsorge beim Trabant und um Modellautos,  die den Winterdienst der „W-50“-Flotte nachbilden. Eine opulente Fotostrecke zeigt Modelle von DDR-Autos, die nie gebaut werden durften. 

Kontakt: 79oktan oHG, Talstraße 14, 09306 Zettlitz, Telefon: 0 37 37 / 45 96-133. Das Einzelheft kostet 6,90 Euro, ein Jahresabo 25 Euro.

 www.79oktan.de