© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/18 / 16. März 2018

Die letzte touristische Herausforderung
Rüdiger Frank setzt seine Inneneinsichten Nordkoreas mit einem speziellen „Reiseführer“ fort. Vieles gerät derzeit in dem nach wie vor totalitären Staat in Bewegung
Detlef Kühn

Nordkorea steht derzeit wieder einmal im Mittelpunkt des weltpolitischen Interesses. Ist der Diktator Kim Jong-un „verrückt“, fragen sich viele. Warum will er unbedingt Atomwaffen haben, obwohl doch sein Land bettelarm ist? Was ist da im Norden der Halbinsel los? Verläßliche Nachrichten über das Innenleben der kommunistischen Diktatur sind rar. Um so zahlreicher sind Mythen und Gerüchte. Wem kann man glauben?

Der Korea-Wissenschaftler Rüdiger Frank, geboren 1969 in Leipzig, beschäftigt sich seit dreißig Jahren mit Nordkorea und besucht das Land regelmäßig. Heute ist er als Professor für Wirtschaft und Gesellschaft Ostasiens an der Universität Wien tätig. Vor vier Jahren veröffentlichte er sein faktenreiches Sachbuch „Nordkorea. Innenansichten eines totalen Staates“. Sein aktuelles Buch knüpft ausdrücklich an das erste an. „Beide Bücher“, sagt er, „bilden letztlich eine Einheit.“ Da der Rezensent auch das erste Buch besprochen hat, sei ihm gestattet, ebenfalls auf diesen Artikel zu verweisen (JF 42/14). Wiederholungen können so vermieden werden.

Rüdiger Frank legt jetzt ein Buch vor, das offenbar Mut machen will, bei aller gebotenen Vorsicht, das Land zu besuchen. Er scheut sich aber, dafür die Bezeichnung „Reiseführer“ zu verwenden; denn Individualreisen sind für westliche Ausländer schlicht nicht möglich. Selbst wenn man eine Reise als Einzelperson bucht, gilt man als „Delegation“ und wird entsprechend betreut, also mindestens von zwei Reiseleitern und einem Fahrer begleitet. Da ist es schon besser, sich zu kleinen Reisegruppen zusammenzuschließen. Man kann durchaus Wünsche hinsichtlich der Reiseziele im Land äußern, die oft erfüllt werden – manchmal aber auch nicht. Begründungen sind nicht üblich.

Die Hauptstadt Pjöngjang ist für Touristen am interessantesten – als politisches Zentrum, wegen der kulturellen und kulinarischen Angebote, aber auch wegen des hier deutlich höheren Lebensstandards der Bevölkerung, verglichen mit dem Rest des Landes. Wer hier leben darf, ist privilegiert, eine Versetzung in die Provinz bedeutet einen sozialen Abstieg. Frank beschreibt und erläutert die wichtigsten Sehenswürdigkeiten und gibt Ratschläge, wie sich westliche Touristen gegenüber den vielen ungewohnten Situationen zweckmäßigerweise verhalten. Den Rezensenten erinnert manches an die Vorbereitung von westdeutschen Gruppen auf eine Reise in die DDR, wo man seinerzeit, wie heute in Nordkorea, bei Regelverstößen der Besucher ebenfalls keinen Spaß verstand. 

Aufgrund seiner zahlreichen Reisen in die wichtigsten Regionen Nordkoreas hat Rüdiger Frank im Laufe der Zeit ein gutes Sensorium für atmosphärische, wirtschaftliche oder politische Veränderungen im Lande entwickelt. Es gibt durchaus Veränderungen, ob diese aus unserer Sicht erfreulich sind oder nicht, ist eine andere Frage. Aber unbeweglich ist das Regime jedenfalls nicht. Durch den Tourismus, der – abgesehen von den wohl zahlreicheren Chinesen – trotz der moderaten Preise bisher noch sehr überschaubar ist, öffnet sich Nordkorea durchaus etwas gegenüber der übrigen Welt. „Nur“ Südkoreaner und US-Amerikaner sind unerwünscht. Allerdings sind das auch die beiden Länder, die derzeit glauben, ihren Staatsangehörigen Reisen in den Norden Koreas verbieten zu müssen.

Es kann also für politisch Interessierte durchaus reizvoll sein, Nordkorea als Tourist zu besuchen. Journalisten müssen übrigens einen besonderen Antrag stellen! Alle anderen können über spezialisierte Reisebüros buchen. In jedem Falle sind die Lektüre des Buches von Rüdiger Frank und die Beachtung seiner Ratschläge zu empfehlen. Dazu gehört auch der, auf die Mitnahme seines Buches besser zu verzichten. Aber auch wer eine Reise nach Nordkorea derzeit nicht ernsthaft in Betracht zieht, wird in dem gut lesbaren Buch viele interessante Informationen über ein weitgehend unbekanntes Land finden.






Detlef Kühn war von 1972 bis 1991 Präsident des Gesamtdeutschen Instituts und hat mehrfach die geteilte koreanische Halbinsel besucht.

Rüdiger Frank: Unterwegs in Nordkorea. Eine Gratwanderung.Deutsche VerlagsAnstalt, München 2018, gebunden, 351 Seiten, 20 Euro