© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/18 / 16. März 2018

Moralisch guter Rassismus
Der faszinierende Selbsthaß auf das Eigene
Michael Dienstbier

Ein furchtbares, allmächtiges Wesen muß er sein, dieser „Dead White European Man“ (DWEM), auferstanden in den empfindsamen Geistern US-amerikanischer Studenten und heute auch die Gemüter des gesamten linken politischen Spektrums in Panik versetzend. Die unter Pseudonym schreibende Kulturwissenschaftlerin Sophie Liebnitz erläutert in ihrem Langessay „tote weiße männer lieben“ die Faszination, die diese Feindbildkonstruktion auf ihre Benutzer ausübt: Rasse, Geschlecht und Tradition kreuzten sich in dieser Figur, drei zentrale Aspekte im Kampf der linken Eliten gegen alles Bestehende für eine fundamental andere Gesellschaftsordnung.

Was ist Diskursherrschaft? Wenn ein harmloses Gedicht von einer Wand entfernt wird, weil es Frauen angeblich zu bewunderungswürdigen Objekten – was ist daran eigentlich verwerflich? – degradiert. Wenn Schauspieler aus Filmen herausgeschnitten werden wegen Verdachtsmomenten, die Jahrzehnte zurückliegen. Wenn der abendländische Literaturkanon verdammt und mit sogenannten Triggerwarnungen versehen wird, weil Shakespeare, Goethe oder Hemingway zu männlich und zu weiß gewesen sind. 

Mit spitzer Feder und trockenem Humor arbeitet Liebnitz den offensichtlichen Widerspruch dieser „Form rassistischer Diskriminierung im Namen des Anti-Rassismus“ heraus. Wie konnte es dazu kommen, daß der Kampf gegen die eigene Herkunft und eigene kulturelle Tradition zum Hauptanliegen des akademischen Nachwuchses „des Westens“ werden konnte? Sich auf Carl Schmitt beziehend, definiert die Autorin politisches Handeln als das Wahrnehmen eigener Interessen, etwas, was eben diesem „Westen“ seit Jahren abhanden gekommen sei und erst durch das konsequent am Eigeninteresse orientierte Handeln von Staaten wie Rußland oder der Türkei wieder in unser Bewußtsein einsickert. 

Das Politische sei bei uns ersetzt worden durch eine verabsolutierte Moralvorstellung, die das Fremde gegenüber dem Eigenen bevorzugt und dabei einen jakobinisch anmutenden Reinigungseifer an den Tag legt. Gegen diese sich zunehmend totalitär gerierende Diskurselite formiert sich vermehrt Widerstand, Widerstand, der mit fundierten Beiträgen wie dem vorliegenden publizistisch begleitet wird.

Sophie Liebnitz: tote weiße männer lieben. Kaplaken, Band 52. Verlag Antaios, Schnellroda 2018, gebunden, 96 Seiten, 8,50 Euro