© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/18 / 23. März 2018

Zündeln gegen Rechts?
Thüringen: Sprengstoff bringt Regierung in Erklärungsnöte
Fabian Schmidt-Ahmad

Rudolstadt ist eigentlich ein beschauliches Städtchen, dem Bildungsbürger vor allem durch seine Rolle in der Weimarer Klassik bekannt. Seit vergangener Woche ist es auch Schauplatz einer Affäre, die buchstäblich Sprengstoff für die Thüringer Landesregierung bereithält. Nach einem Zeugenhinweis durchsuchte die Polizei am 13. März vier Liegenschaften im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Wie die Staatsanwaltschaft Gera der JUNGEN FREIHEIT bestätigte, wurden mehrere Kilo Chemikalien sichergestellt, die als Ausgangsstoffe der hochgefährlichen Explosivstoffe ETN und TATP dienen können. In einem mobilen Labor waren bereits einige Gramm fertiggestellt.

Der 25 Jahre alte, arbeitslose David G. wurde kurzzeitig verhaftet. Bei ihm wurde ein Großteil der Chemikalien gefunden. Polizeilich war David G. bereits wegen kleinerer Vergehen in Erscheinung getreten. Peinlich für die Regierung unter Bodo Ramelow (Linkspartei) ist jedoch vor allem ein weiterer Mann, gegen den wegen Verdachts der Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens ermittelt wird. Denn bei diesem handelt es sich um Jan R., einen Aktivisten der linken Szene und Bekannten der Linkspartei-Abgeordneten Katharina König-Preuss, die im benachbarten Saalfeld ein Jugend- und Wahlkreisbüro unterhält.

„Mit radikalen Kräften verstrickt“

Ausgerechnet König-Preuss, die den Kampf gegen Rechts in Thüringen als Religionskrieg führt. Überall dort ist die Tochter des „Antifa-Pfarrers“ Lothar König (JF 12/18) mit Kamera und Gesinnungsgenossen zu finden, wo es mit viel Geschrei um die „Demaskierung“ wirklicher oder vermeintlicher Neonazis geht. Mit dabei Jan R. vom Bündnis „Zivilcourage und Menschenrechte im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt“ (Zumsaru). Womöglich hat der Kamerad König-Preuss’ Kampfrhetorik allzu wörtlich genommen. Große Mengen von Buttersäure fand die Polizei bei Jan R. Jetzt hüllt sich die Krawall-Abgeordnete in ungewohntes Schweigen.

Nachdem ihr Twitter-Konto für mehrere Stunden nicht erreichbar war, findet sich hier seit Tagen nur der Verweis auf eine Stellungnahme von Zumsaru. In dieser zeigte sich die Organisation „entsetzt“ von den bekannt gewordenen Vorwürfen. „Wir distanzieren uns aufs schärfste von den nun bekanntgewordenen Aktivitäten.“ Ansonsten übte sich das 2014 gegründete Bündnis in Schadensbegrenzung. Es bestünde „keinerlei Zusammenhang mit Aktivitäten des Tatverdächtigen“, dieser sei „in der Vergangenheit“ als einer „von acht Personen aktiv“ gewesen, die das Bündnis öffentlich mit ihrem Namen vertraten.

Der Blick zurück zeigt ein anderes Bild. Offenkundig war Jan R. zusammen mit Thomas Endter die treibende Kraft hinter Zumsaru. Mit diesem zusammen nahm er 2016 bei der Verleihung des Thüringer Demokratiepreises eine Auszeichnung aus der Hand der damaligen Bildungsministerin Birgit Klaubert (Linkspartei) entgegen. Als die NPD-nahe „Thügida“ 2017 vor König-Preuss’ Wahlkreis-Büro mit dem Motto „Dem antideutschen Terror eine Adresse geben“ demonstrierte, organisierte Zumsaru eine Solidaritätsveranstaltung. Auch hier trat Jan R. als Sprecher in Erscheinung. Auf einem Foto der Ostthüringer Zeitung von der Veranstaltung sind zwei Männer ins Gespräch vertieft, bei denen es sich um Jan R. und Endters handeln dürfte.

Auf der Seite von Zumsaru wird auf die Erfurter Antifa sowie die Rote Hilfe verlinkt. Ein Foto, das die Thüringer Allgemeine veröffentlichte, zeigt Jan R. bei einem Anti-AfD-Aufmarsch der Antifa 2016 in Rudolstadt. Jan R. war also keineswegs Zaungast der linken bis linksextremen Szene im Landkreis. Dazu paßt, daß auf einer mittlerweile gelöschten Internetseite von Zumsaru noch vor wenigen Wochen als „Pressekontakt“ Jan R. angegeben war. Dennoch wurde der Staatsschutz bisher nicht aktiv. Auch das Landeskriminalamt nahm sich ganze fünf Tage Zeit, bevor es die Ermittlungen an sich zog, sehr zur Empörung der Opposition. „Das tagelange, geradezu dröhnende Schweigen der kompletten Landesregierung dazu ist mehr als befremdlich“, sagte CDU-Fraktionschef Mike Mohring der Welt am Sonntag.

Scharfe Kritik kam auch vom Thüringischen CDU-Bundestagsabgeordneten Tankred Schipanski: Es sei bezeichnend, daß die Regierung Ramelow nur scheibchenweise und auf politischen Druck hin die Umstände des Falles veröffentliche, sagte Schipanski der jungen freiheit.„Der Fall verdeutlicht zudem, wie sehr Ramelows Partei ‘Die Linke’ in Thüringen mit radikalen Kräften verstrickt ist.“ Er hoffe sehr, daß die Ermittlungen nicht durch den Ministerpräsidenten behindert würden. „Es wäre nicht das erste Mal, daß Ramelow versucht, die Veröffentlichung ihm nicht genehmer Informationen zu unterbinden.“

Ramelow wies jede Schuld von sich. „Niemand in der Landesregierung hat das Interesse, irgend etwas unter den Tisch zu kehren“, zitiert ihn der Tagesspiegel. Die AfD beraumte zur Klärung der Vorwürfe eine aktuelle Stunde im Landtag an. Ein „politischer Hintergrund“ des Sprengstoff-Fundes werde immer wahrscheinlicher, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Stefan Möller, der jungen freiheit. Mittlerweile gebe es sogar „Indizien, daß vor Ermittlungen gewarnt wurde“. Sollte sich das bewahrheiten, wird der Sprengstoff wohl doch noch detonieren, freilich politisch.