© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/18 / 23. März 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Golden flackert die Flamme
Christian Vollradt

Sitzungswoche. Das bedeutet in Bundes-Berlin: Ein Termin jagt den nächsten, Bundestagsplenum, Fraktions- und Ausschußsitzungen, Hintergrundgespräche und Interviews. Kaum Zeit zum Verschnaufen, Abgeordnete, Mitarbeiter, Korrespondenten – jeder hetzt durch die Gegend. Die Seele baumeln lassen, auf andere Gedanken kommen? Fehlanzeige! Oder doch? 

Mitten im Regierungsviertel tat sich am Mittwoch abend vergangene Woche eine kleine Oase zum Innehalten auf, zum – historischen – Besinnen. In einer der schönsten Liegenschaften des Bundestages, dem prächtigen Gründerzeitbau  des ehemaligen Reichspatentamts in der Luisenstraße, fanden sich Interessierte auf Einladung des Abgeordneten Götz Frömming (AfD) zusammen, um einem Vortrag von Christian Jansen zu lauschen, Lehrstuhlinhaber für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Trier. 

Der Experte für das 19. Jahrhundert „entführte“ sozusagen seine Zuhörer aus den aktuellen Antragsberatungen und der Kanzlerwahl auf eine Zeitreise 170 Jahre zurück. Dorthin, wo fast am selben Ort Berliner Bürger am 18. März 1848 Barrikaden errichtet und sich gegen die alte Ordnung empört hatten. Jansen veranschaulichte die unterschiedlichen Strömungen des aufgewühlten Jahres, die Gegensätze der Protagonisten und letztlich die Niederlage der Revolutionäre. 

Nie zuvor, so betonte der akademische Gastredner, habe es soviel politisches Engagement in Deutschland gegeben, dies gehöre zum langfristigen Erfolg der 48er Revolution. Und selbst in unserer heutigen politischen Partizipation wirkt ihr Erbe nach: Seitdem sind uns Phänomene wie Parteien, Fraktionen, Gewerkschaften und Bürgerinitiativen vertraut.

Dem Wunsch mancher Zuhörer, Lehren für heute aus der Vergangenheit zu ziehen, begegnete der Wissenschaftler mit Zurückhaltung. Aber ein bißchen Übertragbares ließ er sich dann doch entlocken: „Revolutionen, die nicht von unten getragen werden, sind zum scheitern verurteilt.“ Oder sein Hinweis, daß Nationalbewußtsein in einem langen Prozeß entstehe und man es mit dem Rückgriff auf Mythen nicht übertreiben sollte. In diesem Zusammenhang sorgte seine Bitte, „den Kyffhäuser nicht wieder hervorzuholen“, im Publikum für Schmunzeln. 

Gescheiterte Revolutionen hätten stets einen schlechten Ruf, meinte während der anschließenden Diskussionsrunde Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland. Anders als die französische von 1789 mit all ihren Mordbrennereien, die bis heute gefeiert werde. „Als nationales Symbol ist 1848 ungeeignet, weil es ein Symbol des Scheiterns ist“, so Gauland. 

Für Jansen indes ist 1848 nicht nur mit Scheitern verbunden. Die Reichgründung sei nicht allein „von oben“, von Bismarck hervorgebracht worden, sondern auch durch die Ideen der Paulskirchen-Liberalen. Sie hätten daher ihre Ideale keineswegs verraten, sondern Teile ihrer Forderungen umgesetzt. 

Lange standen die Gäste noch bei Wein beisammen. Und mancher schaute danach vielleicht etwas anders auf den nächtlich angestrahlten Reichstag mit seinen schwarzrotgoldenen Flaggen.