© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/18 / 23. März 2018

Vom Freihandel zum Handelskrieg
Exportpolitik: Die Unfähigkeit, mit Donald Trump diplomatisch zu kommunizieren, schadet deutschen Firmen
Albrecht Rothacher

Verkehrte Welt. Vor zwei Jahren wurde noch die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft verhandelt. Nicht nur Greenpeace und Foodwatch zitterten vor dem Zwangskonsum von amerikanischem Genmais, Chlorhühnchen und Hormonfleisch. Dank Donald Trump ist TTIP vom Tisch. Der US-Präsident hat nun sogar Strafzölle – erst auf Waschmaschinen und Solarmodule aus China und Südkorea und nun weltweit auf Stahl- und Aluminiumimporte – angeordnet. Bislang gibt es nur Ausnahmen für Kanada und Mexiko, die düpierten Partner des Freihandelsabkommens Nafta.

Das strebt auch die EU an. Deswegen startete in den vergangenen Tagen eine hektische Last-Minute-Diplomatie: Erst flog am Sonntag Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nach Washington. Am Montag folgte die eigentlich zuständige EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Auf dem G20-Treffen in Buenos Aires versuchte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zusammen mit seinen Amtskollegen aus Paris und Rom bei Steven Mnuchin gut Wetter zu machen. Doch wenn zeitgleich eine EU-Digitalsteuer für Airbnb, Facebook, Google, Instagram, Twitter, & Co. die Runde macht, dürfte der US-Finanzminster wohl kein gutes Wort für die Europäer bei Trump einlegen. Altmaier hingegen äußerte sogar Verständnis: Er könne es „verstehen, daß die USA ihre industrielle Basis schützen wollen“. Denn jahrzehntelang hatten die Amerikaner ihrer Stahlindustrie hauptsächlich Gewinne entzogen und nur ein Minimum investiert.

Als Ergebnis stiegen die Importe aus Kanada, Mexiko, Brasilien, Südkorea, Japan, China, Rußland, der Türkei – und der EU. Aus Deutschland stammen 900.000 Tonnen im Wert von 1,7 Milliarden Euro. Als besonders beschichtete Spezialstähle sind sie nicht ohne weiteres durch minderwertige US-Produkte ersetzbar und werden sich möglicherweise trotz der Verteuerung weiter verkaufen. Zudem können US-Firmen von sich aus in Washington Ausnahmen beantragen.

Als Trump seine Strafzölle im Weißen Haus verkündete – malerisch von Stahlarbeitern in Arbeitsmontur umgeben –, begründete er dies mit der „nationalen Sicherheit“: Stahl und Aluminium sind im Panzer- und Flugzeugbau unersetzlich. Auch das Welthandelsabkommen der WTO erlaubt Handelseinschränkungen – eigentlich aber nur in Kriegszeiten. Der Hauptlobbyist U.S. Steel – mit Stahlwerken in Illinois, Indiana, Michigan, Pennsylvania sowie Kaschau (Košice/Kassa) in der Slowakei – versprach, 500 neue Arbeiter einzustellen. Sicher ist, daß sich die Preise für Stahlträger, Autos, Elektrogeräte und Aluminiumdosen sowie die Dividenden der Stahlaktionäre erhöhen.

Ursächlich für die Krise des Weltstahls sind zweifellos die chinesischen Überkapazitäten. China erzeugt im Jahr 800 Millionen Tonnen Stahl, die oft unter Gestehungskosten auf dem Weltmarkt landen. Darauf wiesen vor zwei Wochen 107 republikanische Abgeordnete in einem Brief an Trump hin, der daher nur nur China abstrafen solle.

Der Automobilindustrie droht ein Kollateralschaden

Doch bei einer weitgehenden Blockade des US-Marktes drohen weltweite Umleitungen von Stahlexporten – vor allem Richtung EU-Markt, wo sie die Preise zusätzlich drücken werden (JF 11/18). Auf der diskutierten EU-Vergeltungsliste stehen Strafzölle für US-Whiskey, Erdnußbutter, Orangensaft, Harley-Davidsons oder Kosmetika – symbolische Nadelstiche ohne große Bedeutung, die zugunsten eines WTO-Schiedsverfahrens vielleicht in letzter Minute unterbleiben werden.

Zudem könnten sie den „America first“-Präsidenten zusätzlich reizen und sogar einige politische Gegner davon überzeugen, bei deutschen Autos zuzuschlagen. 548.508 hochpreisige Audis, BMWs, Porsche, Mercedes und VW wurden 2016 nach den USA exportiert – und mit lediglich 2,5 Prozent verzollt. Auf den wenigen echten US-Cars aus Ohio oder Michigan und den vielen BMW- und Mercedes-SUV aus South Carolina und Alabama lasten hingegen zehn Prozent EU-Zoll (über 15 Prozent der EU-Einnahmen und deren wichtigste eigene Geldquelle). In Deutschland kommen zudem noch 19 Prozent Umsatzsteuer obendrauf. Ohne diese Preisaufschläge würden die Deutschen dennoch kaum Chevrolets fahren, aber manche auf einen X3 oder X5 aus dem Spartanburg County umsteigen. Auch eine nette Geste wie der Kauf von US-Drohnen für die Bundeswehr könnte Wunder wirken, auch wenn die persönliche Chemie zwischen Trump und Angela Merkel nie funktionieren wird. Dafür würde aber der deutsche Handelsüberschuß mit den USA (2017: 64,25 Milliarden Dollar) etwas reduziert.

Auch Japan (68,84 Milliarden Dollar Überschuß), Italien (31,64), Südkorea (22,89) oder Frankreich (15,31) verkaufen erheblich mehr in die USA als sie von dort beziehen. Doch das Hauptduell findet zwischen den USA und China statt. Beim US-Handelsdefizit von 566 Milliarden macht jenes mit China 375 Milliarden aus. Trump verlangt, daß es um 100 Milliarden schrumpft.

Die Chinesen drohen mit Vergeltung bei ihren Sorghumhirse-Importen – die US-Südstaaten sind der weltgrößte Anbauer der Futter- und Energiepflanze. Auch die US-Sojabohnenimporte, ein 14-Milliarden-Geschäft, mit denen die Chinesen Millionen von Schweinen mästen, sind in Gefahr. Was die US-Stahlindustrie eventuell gewinnt, könnte die US-Agrarwirtschaft hingegen verlieren.

Trump kündigte dennoch die nächste Strafrunde an: 60 Milliarden schwere chinesische Technologieimporte könnten wegen der Verletzung geistiger Eigentumsrechte mit Zöllen belegt werden. Nicht zu Unrecht kritisierte er die Praxis der chinesischen Industriepolitik, westliche Firmen bei Gemeinschaftsproduktionen in China zu zwingen, ihre technologischen Geheimnisse mit ihren chinesischen Partnern zu teilen. Die deutsche Stahl- und Autoindustrie könnte zum Kollateralschaden des Duells Washington-Peking werden – leichtfertig von der laschen Berliner Verteidigungspolitik und ihrer Unfähigkeit, mit Trump diplomatisch zu kommunizieren, in die Feuerlinie geschubst.

Außenhandelszahlen Deutschland/USA: 

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