© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/18 / 23. März 2018

Der letzte Versuch
Energiemarkt: Eon und RWE wollen den Netzbetreiber Innogy zerschlagen / Bringt die Neuordnung des deutschen Strommarktes endlich Stabilität?
Carsten Müller

Es war einer dieser berühmten Paukenschläge, der Wirtschaft und Politik unvorbereitet traf: Die beiden Energieversorger Eon (vor 18 Jahren hervorgegangen aus den Staatskonzernen Veba und Viag) und RWE (enstanden aus den einst halbstaatlichen Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerken) wollen die bisherige RWE-Tochter Innogy zerschlagen und unter sich aufteilen. Dies würde zu einer wesentlichen Neuordnung des deutschen Energiemarktes führen. Der Plan ist gleichzeitig ein Eingeständnis der beiden deutschen Branchenführer, daß sie mit ihren Geschäftsmodellen im Rahmen der Energiewende nicht weiterkommen.

Die Details des angekündigten Deals haben aus Börsensicht viel Charme: Beide Konzerne haben sich dazu entschlossen, nicht mehr Allround-Anbieter sein zu wollen. Vielmehr will man sich jeweils auf einzelne Bereiche des Energiemarktes konzentrieren. Um dies umzusetzen, soll in einem ersten Schritt Eon den Ökostrom-Produzenten Innogy übernehmen. Im Gegenzug erhält die Innogy-Mutter RWE eine Beteiligung von 16,7 Prozent an Eon. Ist diese erste Stufe vollzogen, wird das Netz- und Vertriebsgeschäft von Innogy in die entsprechenden Sparten von Eon integriert.

Steigen oder fallen die Preise?

Damit stiege Eon mit deutlichem Abstand zum größten Stromnetzbetreiber in Deutschland auf. Der zukünftige Marktanteil wird hierbei auf rund 35 Prozent geschätzt. Gleichzeitig wird Eon auch zum größten Endkundenanbieter. Dabei kommen von Innogy etwa 23 Millionen Stromkunden neu hinzu. RWE wird sich dagegen hauptsächlich auf die Stromerzeugung fokussieren. So bekommen die Essener einerseits die Ökostrom-Erzeugung von Innogy, andererseits auch die entsprechenden Sparten von Eon.

Damit wird unter dem RWE-Dach ein Großteil der deutschen Stromerzeugung faktisch monopolisiert. Auch international dürfte der Stromerzeuger eine deutlich verbesserte Ausgangsposition haben, denn in den vergangenen zwei Jahren zeigte sich, daß Innogy nicht die nötige kritische Größe hatte, um bei Ausschreibungen für Ökostrom-Projekte die Nase vorn zu haben. Mit der zusätzlichen Eon-Sparte dürfte hier RWE deutlich bessere Karten bekommen.

Wie die Transaktion am Ende tatsächlich aussehen wird, wird auch von den involvierten Kartellbehörden abhängen. Hier dürfte insbesondere die Frage eine Rolle spielen, wie die Folgen für die Stromkunden eingeschätzt werden. Wobei noch umstritten ist, ob die geplante Neuordnung zu höheren oder niedrigeren Strompreisen führt. Für beide Szenarien gibt es dabei gute Argumente. Diejenigen, die auf tendenziell sinkende Preise setzen, hoffen insbesondere auf Synergie-Effekte bei Eon, die dann auch an die Stromkunden weitergegeben werden. Diejenigen, die steigende Preise befürchten, verweisen darauf, daß RWE zukünftig als größter Stromproduzent seine Marktmacht ausspielen könnte.

Die Wahrheit dürfte wie immer eher in der Mitte liegen. Denn die Zerschlagung von Innogy als Ökostrom-Lieferant verändert grundsätzlich nicht den Wettbewerb. Hier wird sich Eon weiter mit Hunderten kleinerer und mittlerer Anbieter den Kuchen teilen müssen. Dabei könnte es durchaus dazu kommen, daß die Preise etwas sinken. Denn Innogy war bislang ein eher teurer Grundversorger. Angesichts der tatsächlichen Zusatzkosten – wie zum Beispiel der Erneuerbare-Energien-Umlage (EEG), die in den vergangenen Jahren den Strompreis nach oben katapultierte – dürfte aber die Einflußmöglichkeit der Stromversorger überschaubar bleiben.

Unter dem Strich gilt: Die nun geplante Neuordnung der Aktivitäten von Eon und RWE dürfte der letzte Versuch beider Konzerne sein, unter den Gegebenheiten der Merkelschen Energiewende ein wettbewerbsfähiges und profitables Geschäftsmodell zu etablieren. Würde dies erneut mißlingen, könnte das Kapitel deutscher Energieversorgung sein Ende finden. Denn dann dürften wohl andere international agierende Energiekonzerne versuchen, über entsprechende Übernahmen hierzulande Fuß zu fassen. Und damit würde Deutschland einen weiteren Teil seiner strategischen Infrastruktur aus den Händen geben.