© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/18 / 30. März 2018

Wenn Schüler lieber sitzen bleiben
Religion: An einem katholischen Gymnasium wird auch muslimisch gebetet / Unter Eltern regt sich Protest dagegen
Jürgen Liminski

Am katholischen Gymnasium Salvatorkolleg im baden-württembergischen Bad Wurzach werden seit Januar muslimische Gebete in deutscher Sprache gesprochen. Die Gebete wurden auch in das Schulgebetsbuch aufgenommen. In der Regel werden die Schüler und Schülerinnen angehalten, beim morgendlichen Gebet aufzustehen, um der Religion Respekt zu erweisen. Von ihnen sind etwa zehn Prozent muslimisch. 

Über diese neue Praxis ist es in den Reihen der Elternschaft zu Protesten gekommen. „Allein das Aufstehen bei einer Gebetshandlung ist in der Wahrnehmung eines Kindes eine Gebetsteilnahme“, heißt es in einem Text, der unter den Eltern kursiert. Niemand werde gezwungen mitzubeten, versichert Schulleiter Pater Friedrich Emde vom Orden der Salvatorianer. Man verlange aber Respekt vor anderen Religionen, weshalb die Klasse auch beim Gebet stehen solle. Inzwischen ist das Stehgebot insofern aufgehoben worden, als beim muslimischen Gebet keiner mehr gezwungen sei, aufzustehen. 

Aber die protestierenden Eltern weisen darauf hin, daß wegen des sozialen Drucks in der Klasse wohl kein Kind sitzen bleiben oder die Klasse verlassen werde, und sollte dies doch geschehen, würde hier „ohne Not ein Graben zwischen nichtmuslimischen und muslimischen Kindern entstehen“. 

„Chance, die eigene     Religion zu reflektieren“

Von den äußerlichen Formen abgesehen, macht dieser Streit offenkundig, daß bei der Schulleitung, die sich auf das wissenschaftlich längst überholte Konzilsdokument „Nostra aetate“ beruft, ein Islambild vorherrscht, das bestenfalls nur eine und zwar die friedliche Seite dieser politischen Religion zeigt. Die empörten Eltern dagegen, die im Vertrauen auf den katholischen Charakter der Schule ihre Kinder bewußt an diese Schule schicken und dafür auch Schulgeld bezahlen, weisen auf die andere Seite des Islam hin: die gewalttätig-kriegerische und unterwerfende. Diese grundsätzliche Ambivalenz des Islam, die noch dadurch verstärkt wird, daß es keine allgemein anerkannte Lehrautorität im Islam gibt, wird durch solch eine „Gebetspraxis“ ausgeblendet. Dadurch entsteht bei den Schülern und Schülerinnen und vermutlich auch bei vielen Eltern ein verzerrtes Bild des Islam. 

In dem Informationsschreiben, das unter den Eltern kursiert, wird darauf hingewiesen, daß angesichts der „muslimischen Masseneinwanderung“ eine Hofierung des Islam „weitere Begehrlichkeiten“ wecken könnte. In der Tat wird solch eine Haltung von Muslimen oft als Schwäche und als die Haltung von sogenannten „Dhimmis“, von Schutzbefohlenen oder Menschen zweiter Klasse ausgelegt. Als nächstes könnten Forderungen nach Gebetsteppichen, Geschlechtertrennung, Ausrichtung nach Mekka oder auch nach eigenen Gebetsräumen folgen. 

Das ist durchaus nicht abwegig, es gibt einen Präzedenzfall. In Berlin wurde schon vor neun Jahren dem Diesterweg-Gymnasium aufgrund eines Urteils des Berliner Verwaltungsgerichts auferlegt, „organisatorische Vorkehrungen“ zu treffen, um dem 16jährigen muslimischen Schüler Yunus M. ein ungestörtes Mittagsgebet in der Schule zu ermöglichen.

Die protestierenden Eltern in Wangen fürchten darüber hinaus, daß durch diese „Gleichstellung der Religionen“ die Kinder verwirrt und zu einem „religionsfernen Werterelativismus“ geführt würden nach dem Motto: „Wenn diese katholische Schule das zuläßt, dann kann der Glaube an Allah nicht falsch sein, und mein Glaube verliert seine Einzigartigkeit und Wichtigkeit.“ Deshalb regen sie an, daß die Schule auf „solche Religionsexperimente“ verzichtet. Und sie zeigen die Alternative auf: Es gäbe in Wangen, Leutkirch und Bad Waldsee, also in der Gegend, „staatliche Gymnasien, in denen Eltern sicher sein können, daß ihre Kinder nicht zur Teilnahme an muslimischen Gebetshandlungen gezwungen werden“. 

Bei einer Schülerzahl von derzeit 760 verursache jeder Rückgang der Schülerzahl steigendes Schulgeld, weshalb das Salvatorkolleg „auch im Interesse der Stadt Bad Wurzach seine regionale Strahlkraft“ als katholisches Gymnasium behalten müsse. Aufgabe einer Bekenntnisschule sei es, „die spezifisch christlichen Sichtweisen auf weltanschauliche, ethische oder naturwissenschaftliche Fragestellungen zu vermitteln“. In diesem Sinn sollte „das Werben nichtchristlicher Schüler für das Christentum sogar erwünscht sein“. 

Das widerspricht auch nicht den Leitlinien, die die Stiftung Katholische Freie Schule als Dachverband der katholischen Schulen der zuständigen Diözese Rottenburg-Stuttgart unter dem Titel „Die Zukunft gestalten“ entwickelt hat. Darin heißt es: „Auch Kinder aus anderen Religionen haben an katholischen freien Schulen die Chance, ihre eigene Religion kennenzulernen und zu reflektieren.“ Vom gemeinsamen Gebet ist nicht die Rede, und nichts spricht dagegen, daß muslimische Kinder ihren Glauben wirklich kennenlernen, und zwar auch und gerade die Suren im Koran und jene Sprüche des Propheten (Hadith), die der Unterwerfung der Nichtgläubigen und der Frauen das Wort reden. Der ganze Koran und die Hadith bilden die Grundlage des Islam. 

Nach Ostern werde es, so der Schulleiter, einen Elternbrief zu diesem Thema geben. In diesem Brief werde man informieren, aber eines sicher nicht tun, gab Pater Friedrich  Emde der Lokalzeitung zu Protokoll: „Wir werden diese neue Regelung nicht zurücknehmen.“