© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/18 / 30. März 2018

Eine explosive Mischung
Sprengstoffund in Thüringen: Ein linker Bombenbauer aus dem ostthüringischen Rudolstadt bleibt auf freiem Fuß / Behinderte die rot-rot-güne Landesregierung die Ermittlungen?
Martina Meckelein / Hinrich Rohbohm

Der eine ist arbeitslos, der andere ein auf den Rollstuhl angewiesener Antifa-Aktivist. Sozusagen Herzensmenschen für Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow und seine Partei Die Linke. Doch jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Gera gegen die beiden 25- und 31jährigen Männer. Der Vorwurf: Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens. Die Männer sollen 100 Kilo Chemikalien zur Herstellung von Sprengstoff gelagert haben.

„Damit baue ich Bomben“, soll Jan geantwortet haben

Diese Ermittlungen könnten für die regierende Linkspartei im Freistaat unangenehm werden. Und dabei steht weniger das Was, sondern vielmehr das Wie zur Debatte. Vorwürfe stehen im Raum, die Ramelow-Regierung könnte die Ermittlungen behindert haben, indem sie politischen Druck auf Polizeibehörden ausgeübt habe und in der Folge über Tage das Landeskriminalamt die Ermittlungen nicht übernahm.

Ministerpräsident Bodo Ramelow und Innenminister Georg Maier (SPD) weisen diesen Vorwurf zurück. Aber es kommt noch schlimmer: Der Innenminister soll in einer öffentlichen Rede im Plenum die Anzeigeerstatterin derart identifizierbar gemacht haben, daß polizeiliche Maßnahmen zu ihrem Schutz eingeleitet wurden.

Rückblick: Laut Innenministerium nimmt die Nachbarin von Jan R. in Rudolstadt immer wieder Pakete für ihn an. Der Inhalt: Kunstdünger. Irgendwann wird die Frau aufgrund der Menge stutzig. Denn ihr Nachbar hat gar keinen Garten. Sie soll ihn darauf angesprochen haben. Jan R. soll ihr geantwortet haben: „Damit baue ich Bomben.“ Die Frau alarmiert am 5. März die Polizei.

Am 13. März durchsuchen Beamte in Rudolstadt und Uhlstädt-Kirchhasel (Landkreis Saalfeld-Rudolstadt) vier Wohnungen. Sie stellen zwölf Kilo Chemikalien, acht Ein-Liter-Flaschen Buttersäure, drei 25-Kilo-Säcke Pflanzendünger, 2,5 Gramm fertig gemischten Sprengstoff, außerdem eine Cannabisaufzuchtanlage, eine Schreckschußwaffe, Pfeilspitzen für eine Armbrust sowie ein mobiles Chemielabor sicher.

Die beiden Männer werden verhört und sagen laut LKA aus, schon „diverse Sprengversuche unternommen“ zu haben. Die beiden Verdächtigen können wieder nach Hause, eine Pressemeldung veröffentlicht die Polizei zu dem Zeitpunkt nicht. Der eine gibt an, er habe seiner Mutter mit den Chemikalien Maulwürfe vom Hals halten wollen, der andere behauptet, seinem Freund mit dem explosiven Gemisch eine Freude bereiten zu wollen, außerdem wolle er zur Bundeswehr und eine Sprengausbildung machen.

Noch am Freitag vermeldet das LKA, es werde keine LKA-Übernahme nach dem Fund von Sprengstoff und kiloweise Chemikalien geben. Am Tag darauf dreht sich das LKA um 180 Grad. In einer Pressemitteilung ist zu lesen: „Im Ergebnis einer erneuten Verfahrensabstimmung zwischen der bisher verfahrensführenden Kriminalpolizei Saalfeld und dem Landeskriminalamt wurde unter Beteiligung des Thüringer Innenministers am 17. März entschieden, daß das Ermittlungsverfahren vom LKA abschließend bearbeitet wird.“

In einer aktualisierten Stellungnahme des LKA heißt es dann sogar: „Sofern eine telefonische Presseauskunft des LKA vom Freitag, dem 16. März, hierzu mißverständlich erschien, wird ausdrücklich auf die vorgenannten Fakten verwiesen.“

Nun brennt die Luft. Medial wie politisch. Die Welt am Sonntag zitiert den CDU-Fraktionschef Mike Mohring im Landtag: „Die bisher vorliegenden Erkenntnisse legen den Schluß nah, daß der Pressesprecher eines von der Ramelow-Regierung ausgezeichneten Bündnisses Sprengstoffanschläge vorbereitete.“

„Das ist doch nur die eine Seite der Medaille“, sagt der JUNGEN FREIHEIT ein ehemals hochrangiger Polizeibeamter. „Allein bei der Menge der Chemikalien ist doch die Frage zu stellen, ob nicht gleich der Generalbundesanwalt hätte hinzugezogen werden müssen. Das macht einen stutzig.“

Mit der Antifa gegen die örtliche AfD

Die Wohnung von David G. befindet sich mitten im Stadtzentrum von Rudolstadt: ein renovierter Altbau mit grün gestrichener Hausfassade. In einer Gasse am Fuße des Schlosses Heidecksburg, dem Wahrzeichen des 23.000 Einwohner zählenden ostthüringischen Ortes an der Saale. „Gerade erst haben sie am Haus eine neue Klingelanlage samt Kamera installiert“, sagt Gerhard Häußler. Der 79jährige wohnt in unmittelbarer Nachbarschaft zu G. „Aufgefallen war mir, daß da immer viele Jugendliche mit ihren Fahrrädern kamen und in dem Haus ein- und ausgingen.“

Vor zwei Jahren kommt er auch mit Jan R. persönlich ins Gespräch. „Ich hatte ihm mit seinem Rollstuhl in den Zug geholfen“, erinnert er sich. Ungezwungen beginnen die beiden eine Unterhaltung. „Er machte auf mich eigentlich einen ganz ordentlichen Eindruck. Er erzählte mir damals, daß er für eine Computerfirma tätig sei.“ Bisher war von R. lediglich bekannt geworden, daß er als Lagerist arbeite.

Der 31jährige wohnt nur wenige hundert Meter von David G. entfernt. Auf seinem Briefkasten befinden sich zwei Aufkleber. „Leistungszwang? Wer feiern kann, kann auch auspennen“, verkündet der untere der beiden. Der zweite verweist auf eine Internetseite: Nonazis.jg-stadtmitte.de. Es ist der Netz­auftritt der Jungen Gemeinde Jena. Es ist die Gemeinde, die der eng mit der linksextremen Antifa vernetzte Jenenser  evangelische Stadtjugendpfarrer Lothar König leitet. König war 2011 nach einer Antifa-Demonstration gegen Rechtsextremisten in Dresden wegen schweren aufwieglerischen Landfriedensbruchs und Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt worden. Die Verfahren gegen ihn wurden jedoch eingestellt.

Mit seinem VW-Bus, der Linksextremisten als Lautsprecherwagen dient, habe sich König bei den Dresdner Demonstrationen inmitten gewaltbereiter Antifa-Gruppen bewegt. So auch im Jahr 2010, als neben Königs Lautsprecherwagen auch der heutige thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow auftaucht und auf der von der Linkspartei angemeldeten Demonstration das Wort ergreift. Dabei spricht er in ein Mikrofon, dessen Kabel mit Königs Lautsprecherwagen verbunden ist. Unter anderem fordert er linksradikale Gruppen dazu auf, in Seitengassen und Hinterhöfen nach „Nazis“ Ausschau zu halten.

Bis vor kurzem war Jan R. auch als Sprecher des Bündnisses „Zivilcourage und Menschenrechte im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt“ (Zumsaru) verzeichnet. Zu dessen Unterstützern zählen neben dem Bündnis 90/Die Grünen und der Linkspartei auch das Antifaschistische Jugendbündnis Saalfeld, das sich unter anderem mit den linksextremen Gewalttätern der G20-Proteste „Welcome to Hell“ vom 6. Juli vorigen Jahres solidarisiert.

Pikant: Als Postadresse dient dem Bündnis der Sitz des DGB-Kreisverbands Saalfeld-Rudolstadt in Saalfeld. Ganz offensichtlich stellt die Gewerkschaft dem Bündnis eine räumliche Infrastruktur für ihre Arbeit zur Verfügung. Unmittelbar nach den Sprengstoff-Funden entwickelt sich rege Aktivität auf seiten des Zumsaru. Plötzlich verschwindet dort der Name des Sprechers Jan R., dessen Stelle ist seither vakant. Als für den Inhalt presserechtlich Verantwortlicher benennt das Bündnis nun interessanterweise den DGB-Kreisvorsitzenden und IG-Metall-Mann Bernhard Hecker. Auch der Twitter-Zugang von Jan R. wird gelöscht.

„Er war uns schon vor zwei Jahren aufgefallen“, erzählt Günter Engelhardt, Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes Saalfeld-Rudolstadt, der JF. Seine Partei hatte im Herbst 2016 eine Veranstaltung durchgeführt, die von Anhängern der linksextremen Antifa gestört wurde. Von dort stammen auch Fotos, die den im Rollstuhl sitzenden Mann inmitten einer Antifa-Demonstration gegen die Veranstaltung zeigen.

Immer wieder sei es zu Attacken der Gruppe gegen die AfD gekommen. „Sie hatten unsere Plakate zerstört und unsere Infostände angegriffen“, sagt Engelhardt. Zu den Aktionen aufgerufen habe Zumsaru. Im Dezember 2016 durfte Jan R. für das Bündnis einen mit 500 Euro dotierten „Demokratiepreis“ von der thüringischen Landesregierung in Empfang nehmen. Den Preis überreichte die damalige Bildungsministerin Birgit Klaubert, eine ehemalige SED-Funktionärin.

Zumsaru ist Teil einer landesweit agierenden antifaschistischen Dachorganisation, der „Thüringer Bündnisse, Netzwerke und Initiativen gegen Rechts“, für die der Verein „Mobit e. V.“ verantwortlich ist.

Dessen Vorsitzender ist der ehemalige stellvertretende Landesvorsitzende der Linkspartei, Sandro Witt. Der 36jährige ist ein Multifunktionär und eng mit der linksradikalen Szene vernetzt. Er war Bundessprecher der Linksjugend „Solid“, gehörte vorübergehend auch dem Landesvorstand der DKP-nahen VVN-BdA an.

Hat Innenminister Maier eine Zeugin gefährdet?

Ramelow und Witt saßen mehrere Jahre gemeinsam im Landesvorstand der Linkspartei. Ramelow war als Fraktionschef im Landtag aktiv, Witt war Parteivize. Nicht zuletzt deshalb sind die Verbindungen von Mitgliedern des Kampf-gegen Rechts-Bündnisses zu den Sprengstoff-Funden für den Ministerpräsidenten so brisant.

Zumsaru kooperiert auch eng mit dem Jugend- und Wahlkreisbüro von Katharina König-Preuss, der Tochter von Lothar König, die als Landtagsabgeordnete ebenfalls Bodo Ramelows Linkspartei angehört. In ihrer Fraktion fungiert sie unter anderem als Sprecherin für Antifaschismus. Ihr Abgeordnetenbüro zählt ebenfalls zu den Unterstützern des Bündnisses, beherbergt dort zudem eine Anlaufstelle des von mehreren deutschen Medien unterstützten Projekts „Refugees Welcome“.

Nach Auskunft des thüringischen Verfassungsschutzes auf eine JF-Anfrage umfaßt „das Spektrum linksextremistischer Parteien“ etwa 65 Personen, das der gewaltorientierten autonomen Szene etwa 130 Personen. Weitere zehn Personen würden den Anarchisten und dem Verein „Rote Hilfe“ zugerechnet. „Schwerpunkte der linksextremistischen Autonomen bestehen in Erfurt, Jena, Weimar sowie um Gotha“, so eine Sprecherin.

Erfurt, Jena und Weimar: An diesen Orten sollen in der Vergangenheit Buttersäureanschläge verübt worden sein, so ein Polizeibeamter zur JF. Das deckt sich wiederum mit der Aussage des Innenministers, daß die Ermittler prüfen wollen, ob die Tatverdächtigen für Sachbeschädigungen in den vergangenen drei Jahren in Betracht kommen könnten.

Während die Verstrickungen von Jan R. ins linksradikale Milieu offensichtlich sind, ist die Rolle von David G. noch unklar. Der Polizei ist er aufgrund mehrerer Straftaten bekannt. „Gegen den 25jährigen liegen umfangreiche polizeiliche Erkenntnisse vor, er ist kein unbeschriebenes Blatt“, sagte Innenminister Maier im Plenum des Landtags.

Es geht um Gewalt- und Eigentumsdelikte, außerdem um Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Er soll die Chemikalien beschafft und zusammengemischt haben. Allerdings gibt er an, so Maier, sich niemals um Politik gekümmert zu haben. Staatsanwalt Sven Schroth von der zuständigen Staatsanwaltschaft Gera erklärt der JF, warum keiner der beiden in U-Haft ist: „Der Jüngere der beiden wurde vom 13. bis 14. März vorläufig festgenommen. Doch er wurde mangels Bestehen von Haftgründen wieder auf freien Fuß gesetzt. Bisher liegt nur ein Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz vor. Wir haben bisher keine Anhaltspunkte für konkrete Planungen zu Anschlägen.“ Auch nicht zu politischen Motiven. Eine Bedrohungslage, die einen Haftgrund wegen Verdunkelungsgefahr begründen würde, liege nicht vor.

Dabei spielt der Staatsanwalt auf eine mögliche Zeugenbedrohung durch David G. an. Innenminister Maier hatte nämlich im Plenum davon berichtet, daß die Polizei die Handys der beiden Tatverdächtigen beschlagnahmt und ausgelesen habe. Dabei stellte sich heraus, daß zwei Sprachnachrichten strafrechtlich relevant sein könnten. „Damit hat der Minister eine Zeugin gefährdet“, äußert ein Kripo-Beamter gegenüber der JF. „Das darf er doch niemals in einem laufenden Ermittlungsverfahren öffentlich erzählen.“

Oliver Löhr, Maiers Pressesprecher, geht noch weiter. Er bestätigt der JF nicht nur die Sprachnachrichten, sondern nennt deren Inhalt: „Der jüngere Tatverdächtige wollte herausfinden, wer die Anzeige erstattet hat. Deshalb rät der ältere Täter, der Rollstuhlfahrer, der Frau, zur Vorsicht nicht mehr rauszugehen und die Fenster geschlossen zu halten.“ Löhr bestätigt außerdem der JF: „Die Frau wird jetzt geschützt.“

Foto: Fotos als Belastungszeugen: Jan R. (im Rollstuhl) bei einem Antifa-Aufzug in Rudolstadt 2016 (l.); der Briefkasten des Beschuldigten mit einem Aufkleber der linksradikalen „Jungen Gemeinde“ des Antifa-Pfarrers Lothar König (M.); Bodo Ramelow nutzt 2010 in Dresden Königs Demo-Bus für Agitation