© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/18 / 30. März 2018

„Naiv im Umgang mit dem Islamischen Staat“
Frankreich: Auch nach dem erneuten Terroranschlag eines Dschihadisten zeigen die Parteien wenig Geschlossenheit / Panne der Antiterror-Ermittler?
Friedrich Thorsten Müller

Nach fast einem halben Jahr trügerischer Ruhe kam es am vergangenen Freitag wieder zu einer islamistischen Mordserie in Frankreich. Ein 25jähriger marokkanischstämmiger Franzose überfiel am Vormittag in Carcassonne einen Opel Corsa, tötete den 60jährigen Beifahrer und verletzte den Fahrer schwer. 

Nachdem er als nächstes auf eine Gruppe von vier joggenden Polizisten schoß, von denen er einen schwer verletzte, fuhr er mit dem so erbeuteten Auto ins acht Kilometer entfernte Trèbes. Dort drang er unter „Allahu akbar“-Rufen in einen Supermarkt ein, wobei er den 50jährigen Chef der Fleischereiabteilung und einen 65jährigen Kunden tötete. Bewaffnet mit einer 7,65-mm-Pistole, Messern und selbstgebastelten Sprengsätzen, verschanzte er sich dann in dem Supermarkt. Die zunächst 50 anwesenden Personen konnten fliehen oder wurden gegen Arnaud Beltram, einen Oberstleutnant der CRS, der kasernierten Polizei, ausgetauscht.

Nachdem klar wurde, daß man weder der Forderung des Islamisten nach Freilassung des einzigen überlebenden Terroristen des Bataclan-Anschlags, Abdeslam Salah, nachkommen würde, noch mit einer Aufgabe des Geiselnehmers zu rechnen war, stürmten gegen 14 Uhr die Sicherheitskräfte den Supermarkt. Dabei starb der Attentäter Radouane Lakdim, während der Polizeioffizier Beltram schwer verletzt aufgefunden wurde und am Samstag aufgrund eines Schnitts durch die Kehle starb. Die Gesamtbilanz der Anschlagsserie beträgt damit fünf Tote (inklusive des Angreifers) und 16 Verletzte, davon zwei Schwerverletzte.

Das selbstlose Opfer des 44jährigen Oberstleutnants Arnaud Beltram, der stets bekannte, seinen „Dienst an Frankreich noch wichtiger zu nehmen, als den an seiner Familie“, beeindruckt die französische Öffentlichkeit zutiefst. Entsprechend wird es zu seiner Beisetzung einen Festakt im Invalidendom in Paris geben, bei der Staatspräsident Macron die Trauerrede halten wird. Arnaud Beltram hinterläßt eine Ehefrau, die er im Juni auch noch kirchlich heiraten wollte.

Während Präsident Macron lobt, daß Beltram „als Held für Frankreich gefallen“ sei, reagiert die Opposition höchst unterschiedlich auf die erneute islamistische Bluttat. Die Front-National-Vorsitzende Marine Le Pen wiederholte ihre Forderung, die Nichtstaatsbürger unter den 16.000 bekannten islamistischen Gefährdern in Frankreich auszuweisen. 

Geoffroy Didier, der Generalsekretär der Republikaner, kritisierte den naiven Umgang mit dem Islamischen Staat, „der dabei sei, die Köpfe der Muslime in Frankreich zu gewinnen“. 

Auf der extrem linken Seite kam es dagegen sogar zu einer Festnahme, nachdem sich der erfolglose Nationalversammlungskandidat des „nichtunterworfenen Frankreich“, Stéphane Poussier, mit dem Tweet „ein Macron-Wähler weniger“ zum Tod von Arnaud Beltram äußerte. Im droht nun eine mehrjährige Haftstrafe.

Lakdim hatte sich nach Angaben des Onlinedienste 24matins.de als IS-„Soldat“ geoutet. Er stand auf einer Überwachungsliste der Antiterror-Ermittler, war aber als ungefährlich eingestuft worden. Auch seine 18jährige Freundin sei vom Geheimdienst beobachtet worden. Sie sei nun ebenso in polizeilichem Gewahrsam wie ein 17jähriger Freund des Täters. Bei der 18jährigen gebe es nach Angaben der Ermittler Hinweise auf eine Radikalisierung, so 24matins.