© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/18 / 30. März 2018

„Eine Volksabstimmung ist wichtig“
ARD und ZDF stehen in der Kritik. Rheinland-Pfalz hat den Vorsitz in der Rundfunkkommission. Die JF sprach mit Joachim Paul (AfD), dem Vorsitzenden des Medienausschusses in dem Bundesland
Gil Barkei

Herr Paul, wie enttäuscht sind Sie als Kritiker der Rundfunkgebühr von der deutlichen Absage der Schweizer an die „No Billag“-Initiative?

Joachim Paul: Ich bin gar nicht enttäuscht, denn man kann die zwei Systeme nicht miteinander vergleichen. Aus den Gebühren in der Schweiz werden ja auch 34 private Radio- und TV-Stationen unterstützt. Zudem gibt es in der Schweiz durch die Mehrsprachigkeit einen ganz anderen Programmauftrag, der regional sehr wichtig ist. Allein die Sprache Rätoromanisch: es ist klar, daß ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk dieses vielleicht unwirtschaftliche Feld bestellen muß. In der Bundesrepublik haben wir eine andere Situation, deshalb wäre eine begrüßenswerte Volksabstimmung wichtig. Bei der letzten Umfrage lehnten immerhin 39 Prozent der Bundesbürger das momentane Rundfunksystem ab. 

Für den Fall, daß die Anstalten weiter so wirtschaften wie bislang, hat der Vorsitzende der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), Heinz Fischer-Heidlberger, eine Erhöhung der Rundfunkgebühr um 1,70 Euro ab 2021 angemahnt. Wird der Unmut der Bürger nicht wahrgenommen?

Paul: Die Verantwortlichen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk leben in ihrer eigenen Parallelwelt, in der sie die Einstellungen der Menschen kaum wahrnehmen. Wenn man sich den KEF-Bericht anschaut, ergibt sich ein Gebührenüberschuß von 544 Millionen Euro und trotzdem geben die Öffentlich-Rechtlichen einen zusätzlichen Finanzbedarf für die Gebührenperiode 2017 bis 2020 von 203 Millionen an. Allein das Personal kostet in diesem Zeitraum 8,8 Milliarden Euro – also quasi ein Gebührenjahr – und die Altersvorsorge zwei Milliarden Euro. Die Gesamtsumme der Beiträge beläuft sich gleichzeitig auf fast 32 Milliarden Euro. Diese monströsen Zahlen zeigen, es gibt keinen voluminöseren Staatsfunk als den deutschen. Die informelle Abhängigkeit der Altparteien-Politik von ARD und ZDF ist so groß, daß man sich diese Wirklichkeitsflucht leisten kann. Im Medienausschuß von Rheinland-Pfalz werden beispielsweise diese Probleme regelrecht ausgeblendet. Die Symbiose zwischen ARD und ZDF und Altparteien-Politik ist die Grundlage für ebendiese Parallelwelt, in der die Öffentlich-Rechtlichen operieren – und zwar mit der Überschrift „Weiter so!“

Wie sollte denn ihrer Meinung nach eine Verschlankung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aussehen?

Paul: Wenn man im Medienausschuß die Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beobachtet, hat man den Eindruck, sie würden von der Hand in den Mund leben. Aber die Daten zeigen, daß die Sparanstrengungen sich lediglich – und viel zu spät – auf den Abbau von Doppelstrukturen wie mehrfach geführte Technik beziehen. Es sind keine einschneidenden Strukturreformen. Wir fordern dagegen ein schlankes Heimatfernsehen, das Schaufenster der Regionen ist – hierzu könnte die ARD umgebaut werden. Das ZDF bliebe als bundesweite Anstalt erhalten. Wir wollen die Gebühren völlig abschaffen. Die Grundversorgung an Information könnte, wie aktuell das Beispiel Dänemark zeigt, aus Steuermitteln finanziert werden. Alle weiteren Angebote sollten mit einer Bezahlschranke verschlüsselt werden, so daß wirklich nur interessierte Zuschauer, die unbedingt eine Sendung sehen wollen, zahlen müssen. Der Vorwurf, wenn der Rundfunk aus Steuermitteln finanziert würde, gäbe es keine Staatsferne, ist ja geradezu lächerlich. Man könnte dann offener diskutieren, ob der Staatsfunk zugleich Bürgerfunk ist, der Steuergroschen verdient. Für den Status quo gilt: Die Altparteien haben sich die Öffentlich-Rechtlichen zur Beute gemacht.

Herr Fischer-Heidlberger warnt zudem vor einem Zeitproblem, so daß Neugestaltungen bis 2021 schwierig umzusetzen seien – bis April 2019 muß der Finanzbedarf angemeldet werden und ein neues Rundfunkgesetz muß durch alle Landtage.

Paul: Die Öffentlich-Rechtlichen sind versierte Pokerspieler, die auf Zeit spielen. Sie wissen, daß die Altparteien den Druck auf sie nicht erhöhen werden, sondern es nur bei ergebnislos verhallenden Appellen bleibt. Tatsächlich sind sie durch die komplizierte Beschluß­arithmetik erst mal vor Strukturreformen gefeit. Gleichzeitig spricht ARD-Chef Wilhelm schon von einer Erhöhung der Beiträge, und die Öffentlich-Rechtlichen haben leider durch die Unterstützung der Politik die besseren Karten, sich damit durchzusetzen. Die KEF hatte ja sogar bei der letzten Gebührenperiode vorgeschlagen, den Beitrag um 30 Cent zu senken. Das wurde nicht aufgegriffen. Ganz im Gegenteil: erst hieß es, „Beitrag stabil halten“, jetzt geht es in Richtung Beitragserhöhung.

Sind die ebenfalls von Wilhelm vorgeschlagene „Modernisierung des KEF-Verfahrens“ und ein „Inflationsausgleich“ ab 2021 denn nicht vielleicht zukunftsfähige Modelle?

Paul: Der Inflationsausgleich ist eine schleichende Gebührenerhöhung. Die KEF wird angegriffen, weil sie das tut, was man offenkundig nicht will: nämlich unabhängig und kritisch die Wirtschaftlichkeit und den Finanzbedarf der Öffentlich-Rechtlichen prüfen.

Aber Sie werden ja auch eigene Analysen und Erfahrungen mit dem SWR haben. 

Paul: Aufschlußreich ist der Bericht des SWR zur Finanz-, Haushalts- und Personalkostenentwicklung für 2016 bis 2019. Der SWR sendet hoch defizitär. Allein für 2018 ist ein Fehlbetrag von ca. 100 Millionen ausgewiesen, der nur durch die Auflösung von Rücklagen gedeckt wird. Man setzt nicht auf Verschlankung des Betriebs, sondern geht Jahr für Jahr ans Eingemachte. Ich bin gespannt, ob diese Art des Wirtschaftens nicht noch als Legende für angeblich notwendige Gebührenerhöhungen herhalten muß. Wir haben es ohnehin mit einem riesigen Finanzgeflecht zu tun, das schwer zu durchleuchten ist. Die Öffentlich-Rechtlichen haben 192 Gesellschaften im Portfolio – wer soll da noch den Überblick behalten? 

Warum steuert die Landesregierung da nicht gegen?

Paul: Die Ministerpräsidentin Malu Dreyer bezeichne ich gerne als „Fernsehfürstin“. Sie hat eine medienpolitische Machtfülle, die sie von allen anderen Ministerpräsidenten abhebt. Sie ist Chefin des ZDF-Verwaltungsrats und zugleich Chefin der Rundfunkkommission der Länder. Es gibt wohl kaum eine Landesregierung, die sich so vehement für den Erhalt des Systems einsetzt. Man hört kaum Appelle für mehr Sparsamkeit oder Strukturreformen, sondern insbesondere Ministerpräsidentin Dreyer weiß, was sie am öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat: ein politisches Instrument, eine Altparteien-Bühne im Kampf gegen den sogenannten Populismus. 

Für Aufsehen hat der Fall Eumann in Rheinland-Pfalz gesorgt. Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hat die Wahl des SPD-Politikers zum Landesmedienchef nun für rechtens erklärt.

Paul: Das ist ein närrisches Urteil, das zur Karnevalshochburg Rheinland-Pfalz paßt. Der Landeszentrale für Medien und Kommunikation (LMK) und den dort an Schlüsselstellen versammelten Altparteien-Vertretern wurde Narrenfreiheit bescheinigt: da es keine Regularien für eine Findung gibt, könne man auch nicht gegen Regularien und Gesetze verstoßen haben. Dabei gab es keine öffentliche Ausschreibung, keine Bewerbungsfristen und kein festgelegtes Verfahren. Hier sollte ein Medienstaatssekretär, der den SPD-Bundesvorstand berät, in Rheinland-Pfalz in exponierter Stelle versorgt werden. Meiner Meinung nach ist hier Dreyer im Hintergrund aktiv geworden. Die Findungskommission sollte und wollte ganz im Sinne der Staatskanzlei nur Eumann finden. Dies rückt das gesamte System ins Zwielicht. Immerhin handelt sich nicht um eine sekundäre Behörde – die LMK kontrolliert auch die privaten Medien –, sondern um eine medienpolitische Schaltstelle, und diese wollen die Altparteien, insbesondere die SPD, in der Hand behalten.






Joachim Paul, ist stellvertretender Landesvorsitzender der AfD Rheinland-Pfalz und stellvertretender Vorsitzender der Landtagsfrak­tion. Der Gymnasiallehrer ist medien- und bildungspolitischer Sprecher und Vorsitzender des Ausschusses für Medien, Digitale Infrastruktur und Netzpolitik des Landtags. 

 

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