© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/18 / 06. April 2018

Lesereinspruch

Ahnungsvoller Logos

Zu: „Ein Leben ohne Mysterien ist langweilig“ von Matthias Matussek (JF 14/18)

Eine Bekannte hat, ebenso wie ich, Mathematik studiert. Irgendwann wurde ihr klar, daß sie in diesem Metier nichts würde reißen können. Sie hat also etwas anderes gemacht. Zur Erklärung, zur Rechtfertigung, hat sie alle negativen Attribute (acht Stunden auf den Bildschirm glotzen, mit keinem reden) zusammengesucht, darauf gezeigt und gesagt: „Das will ich ja nun nicht.“ Also wie gesagt, sie fühlte sich nicht in der Lage, und deshalb lehnte sie es ab.

Genauso macht es unser Autor. Er zitiert einen Vulgärmaterialisten, zeigt auf den und sagt, das sei „dürftig“, geradezu „ein Hundeleben“ – das könne es ja wohl nicht sein. Offenbar kennt der Mann nicht die Gödelschen Unvollständigkeitssätze, die Heisenbergsche Unschärferelation. Wahrscheinlich kennt er nicht einmal das chaotische Pendel. 

Auch ich habe in meinem Berufsleben Querverbindungen aufspüren können, die einfach wunderbar sind. Meine Antwort auf die These, ein Leben ohne Mysterien sei „langweilig und eigentlich kaum zu ertragen“: Der Mann hat keine Ahnung.

Werner Vigerske, Berlin