© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/18 / 06. April 2018

Katalonien liegt jetzt in Neumünster
Streit um Auslieferung: Carles Puigdemont wehrt sich juristisch gegen seine Überstellung an die spanischen Behörden
Thorsten Brückner

Seine Festnahme war eine politische Entscheidung. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gab grünes Licht dafür, den von Spanien für abgesetzt erklärten katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont unweit der deutsch-dänischen Grenze zu verhaften, berichtete der NDR. Seit Palmsonntag sitzt der 55jährige in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Neumünster und wartet auf eine mögliche Auslieferung nach Spanien. Die will sein Anwalt, der ehemalige Bundesrichter Wolfgang Schomburg, unbedingt verhindern. Im Notfall werde man das Bundesverfassungsgericht anrufen, erklärte Schomburg, der Richter am Internationalen Strafgerichtshof für Jugoslawien in Den Haag war. 

Grundlage der Verhaftung war ein Europäischer Haftbefehl Spaniens. Der Generalstaatsanwalt in Madrid wirft Puigdemont neben der Veruntreuung öffentlicher Gelder auch Rebellion vor. Ein Straftatbestand, den es so in Deutschland seit 1970 nicht mehr gibt und der auch nach spanischem Recht mit dem Aufruf zu Gewalt einhergehen muß. Puigdemont drohen bei einer Verurteilung bis zu 30 Jahre Haft. Zur Gewalt aufgerufen zu haben wirft ihm allerdings nicht einmal der spanische Richter am Obersten Gerichtshof, Pablo Llarena, vor, der den Haftbefehl reaktiviert hatte. Der Aufruf des katalanischen Regionalpräsidenten zu Demonstrationen habe das Risiko potentieller gewaltsamer Ausschreitungen beinhaltet, heißt es in seiner Begründung. 

Am Dienstag beantragte die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein Puigdemonts Auslieferung. Nach intensiver Prüfung des Europäischen Haftbefehls sei man zu dem Schluß gekommen, daß eine Auslieferung geboten sei, teilte die Behörde mit. Darüber muß jetzt das Oberlandesgericht Schleswig befinden. Das Amtsgericht Neumünster hatte Zweifel daran geweckt, ob Puigdemonts Auslieferung aus rechtlicher Perspektive bereits ausgemachte Sache ist. „Ohne Frage bietet der Inhalt des Europäischen Haftbefehls Anhaltspunkte dafür, daß die Auslieferung bei umfassender Prüfung unter Abwägung der betroffenen Rechtsfragen im Ergebnis als unzulässig bewertet werden könnte“, hieß es von der zuständigen Richterin. 

Puigdemont verbreitete unterdessen Durchhalteparolen. „Ich werde nicht aufgeben, ich werde nicht verzichten, ich werde nicht vor den unrechtmäßigen Handlungen derjenigen zurückweichen, die an den Urnen verloren haben“, ließ er über Twitter ausrichten. Der prominente Gefangene erhielt auch Besuch von deutschen Politikern. Die Linken-Bundestagsabgeordneten Zaklin Nastic und Diether Dehm berichteten nach dem Treffen in der JVA, Puigdemont habe Vertrauen in das deutsche Rechtssystem. Dehm bot Puigdemont zudem an, bei einer eventuellen Freilassung vorübergehend in seinem Haus zu wohnen. Zuvor hatte bereits der Europaabgeordnete Bernd Lucke (LKR) Puigdemont besucht und dessen Freilassung gefordert. Die Bundesregierung solle über eine Gesetzesänderung nachdenken, die es Puigdemont ermögliche, in Deutschland Asyl zu erhalten. „Das, was sich in Spanien und Katalonien abspielt, trägt viele Züge von politischer Verfolgung“, begründete er dies in einer Videobotschaft.