© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/18 / 06. April 2018

Die Neuen sollen es richten
Italien: Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega prügeln und lieben sich / Regierungsbildung mit kleinen Hindernissen
Marco F. Hermann

Wenn Salvini etwas sage, dann halte er sein Wort. Dieser Satz fällt keinem Anhänger Matteo Salvinis aus dem Mund, sondern Beppe Grillo, dem Gründer des Movimento 5 Stelle (M5S). 

Zwar hatte der M5S die Lega, deren Vorsitzender Salvini ist, niemals so hart angegriffen wie den sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) von Ex-Premier Matteo Renzi oder Silvio Berlusconis Forza Italia (FI). Doch Grillo und seine Partei hatten den Lega-Chef noch in den vergangenen beiden Jahren per Internetkampagne als Lügner diffamiert. Salvinis Würdigung durch Grillo ist Zeichen eines Tauwetters zwischen den beiden stärksten Parteien im neuen italienischen Parlament. Grillo gilt, obwohl er nach der Wahl seinen Rückzug aus der Politik verkündete, weiterhin als Graue Eminenz der Fünf-Sterne-Bewegung.

Di Maio will das rechte Bündnis knacken

Die Gegenseite erwidert die Freundlichkeiten. Salvini witzelt, daß er bereits häufiger mit dem Spitzenkandidaten des M5S – Luigi Di Maio – telefonier als mit seiner eigenen Mutter. Und: „Die Grillini waren bisher vertrauenswürdig.“ Dabei bleibt es dann auch. Di Maio und Salvini streben beide das Amt des Ministerpräsidenten an. Di Maio, weil seine Partei die meisten Stimmen bekommen hat, Salvini, weil sein rechtes Bündnis das stärkste im Parlament ist. Das besteht neben der Lega aus den Fratelli d’Italia (FdI) und Berlusconis FI. Mit letzterer tun sich die Grillini von Di Maio schwer: Eine Koalition mit dem greisen Ex-Premier ist für den M5S ausgeschlossen. Di Maio will nicht das Image des M5S als Kontrapunkt zu den etablierten Parteien verschleißen, insbesondere, da er angetreten ist, der Korruption und der Vetternwirtschaft entgegenzutreten. 

Der Wunsch des M5S ist offensichtlich: das rechte Bündnis von Salvini knacken und mit der Lega als Juniorpartner eine gemeinsame Regierung bilden. Das wiederum paßt dem Lega-Chef nicht: „Ich mache nicht den Minister unter Premier Di Maio.“ Salvini fehlen 50 Stimmen, um zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden, Di Maio dagegen 90. Dennoch provoziert letzterer: „Entweder Premier oder nichts.“ Salvini kontert: „Wenn Di Maio sagte, ‘Ich oder nichts’, dann vertut er sich, denn heute ist er gar nichts.“ Salvini kann sich auch deswegen nicht von Berlusconi trennen, weil die Lega mit der FI auf Kommunal- und Regionalebene paktiert.

Immer wieder spielen die Rivalen daher die dritte Option durch: eine Koalition mit dem PD. Nach dem Wahlfiasko sind die Sozialdemokraten deklassiert und können höchstens als Mehrheitsbeschaffer herhalten. Die Partei macht derzeit den Schulz: Totalopposition, eine Regierungsbildung kommt nicht in Frage. Di Maio und Salvini spekulieren hingegen auf eine „deutsche Wende“. Grillos Pendant in der Lega, der Gründer und ehemalige Vorsitzende Umberto Bossi, riet Salvini bereits, der Fünf-Sterne-Bewegung den Laufpaß zu geben und lieber mit den Sozialdemokraten zu flirten. Di Maio zieht nach, es folgten Avancen in Richtung des PD. 

Eine mögliche Koalition mit der „Altpartei“ PD stellt dabei sowohl für den M5S als auch die Lega ein Risiko dar. Die italienischen Wähler haben beide Parteien an die Macht gebracht, um die alte Kaste aus der Regierung zu werfen. Ein Pakt mit den alten Kräften könnte an der Wahlurne abgestraft werden. Wie eine Einigung in der EU-Politik zwischen PD und den EU-Skeptikern erreicht werden soll, steht derzeit in den Sternen. Beobachter schätzen die PD-Option daher als reine Wahlkampftaktik ein, um den Preis für eine Koalition höher zu treiben.

Konfrontation nur nach außen 

Denn für italienische Verhältnisse fallen die Konfrontationen zwischen Salvini und Di Maio zahm aus. Im Abgeordnetenhaus sitzt Di Maios Kollege Roberto Fico als neuer Vorsitzender, Präsidentin des Senats wurde dagegen Maria Casellati vom Rechtsbündnis. Die Parteien hatten sich bei der Teilung der Kammern abgesprochen – ein Kompromiß, der als Vorbereitung für eine Koalition gelten kann. Im Gegensatz zu Di Maio hob Salvini mehrmals hervor, nicht auf das Amt des Premiers zu bestehen: Eine dritte Person als Premier ist damit möglich.

 Beide Parteien betonten, daß sie sich vor allem am Wahlprogramm orientieren wollen. Salvini fordert striktere Grenzkontrollen, eine „Flat Tax“ und eine Rücknahme der letzten Rentenreform, Di Maio kündigte eine Reduzierung der Abgeordnetendiäten und mehr Investitionen in den Sozialstaat an. Nun liegt es an Staatspräsident Sergio Mattarella, der die Regierungsbildung einleiten soll, die Konkurrenten zusammenzubringen.