© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/18 / 06. April 2018

Washington verliert die Geduld
Facebook: Das Profil-Netzwerk verspielt das Vertrauen seiner zwei Milliarden Nutzer / Stärkere Regulierung der Internetwirtschaft?
Carsten Müller

Google, Apple, Facebook und Amazon haben die Art und Weise verändert, wie konsumiert und kommuniziert wird. Nun könnte es einer der GAFA (wie nicht nur Emmanuel Macron das Quartett nennt) sein, der die boomende Internetwirtschaft gefährdet. Vordergründig geht es um den fragwürdigen Umgang des größten sozialen Netzwerkes der Welt mit den Daten seiner Nutzer (JF 14/18). Schaut man allerdings auf die Reaktionen der Politik diesseits und jenseits des Atlantiks, könnte dieser Skandal eine neue Qualität erhalten.

Der Vorwurf, Facebook habe zugelassen, daß die britische Firma Cambridge Analytica Informationen von 50 Millionen Nutzern auswerten konnte und so der Brexit-Kampagne und dem Donald-Trump-Team zugearbeitet habe, ist scheinheilig. Die Deutsche Post Direkt GmbH stand im Bundestagswahlkampf 2017 CDU und FDP zur Seite – mit „vollkommen anonymisierten“ Haushaltsdaten. Für eine Datenweitergabe wurde nicht um Zustimmung angefragt, sondern der Nutzung hätte schriftlich widersprochen werden müssen.

Das „analoge“ Adreßgeschäft stellen nur engagierte Datenschützer in Frage, die Rufe nach einer Regulierung der Internetwirtschaft sind hingegen laut: Die EU-Kommission fordert höhere Steuern von GAFA & Co. Trump will dem Hillary-Clinton-Förderer Jeff Bezos ans Leder: Amazon zahle kaum Steuern und übervorteile die US-Post. Manche rechnen sogar mit einem Fall Standard Oil Company: Das Ölimperium von John D. Rockefeller wurde 1911 auf Anordnung des US-Supreme Court entflechtet. 

Dies alles erklärt, warum die Aktie von Facebook in den vergangenen Wochen so dramatisch an Wert verloren hat. Zusammen mit der generellen Marktkorrektur im Technologiesektor büßte Facebook seit Anfang Februar ein Fünftel seines Marktwertes ein. Kostete die Aktie in der Spitze 195 Dollar, waren es am Dienstag noch 153 Dollar. Auf die gesamte Marktkapitalisierung umgerechnet, sind das rund 95 Milliarden Dollar Verlust – genauso viel, wie der gesamte Allianz-Konzern aktuell an der Börse wert ist. Auch wenn es Börsianer gibt, die auf eine Beruhigung hoffen, so zeigt sich hier das Risiko nicht gebannt: Das hat auch mit dem Krisen-Management zu tun. Firmengründer Mark Zuckerberg und seine Facebook-Chefin Sheryl Sandberg machten dabei eine schwache Figur.

Im Topmanagement muß es Veränderungen geben

Zum einen brauchte Zuckerberg  Tage, um auf die Datenaffäre zu reagieren. Was die Politik wohl noch mehr ärgert, ist sein Verhalten gegenüber Aufforderungen, vor staatlichen Gremien Stellung zu nehmen. So hat der 33jährige Milliardär es abgelehnt, vor dem britischen Parlamentsausschuß für Digitales, Kultur und Medien Fragen zu beantworten. Dies sollen Stellvertreter übernehmen. Wie Facebook mit einem Ultimatum der EU umgehen wird, ist ebenfalls noch unklar.

In den USA kann sich Zuckerberg nicht so leicht aus der Affäre ziehen. Zusammen mit den Chefs von Twitter und Alphabet (Google) muß er am 10. April vor dem Senatsjustizausschuß in Washington erscheinen. Im Mittelpunkt dabei die Frage, wie Facebook in Zukunft mit seinen Nutzerdaten umgehen will. Wie Zuckerberg hier argumentiert, dürfte wohl darüber entscheiden, ob am Ende die US-Verbraucherschutzbehörde FTC Strafen verhängt. Das, was in der Zwischenzeit aus dem Hause Facebook zu hören ist, dürfte Nutzer, Verbraucherschützer und Politiker kaum milder stimmen. So erklärte Zuckerberg, daß eine Behebung aller Probleme beim Umgang mit Daten mehrere Jahre dauern könnte.

Dies ist ein klares Eingeständnis, daß im bisherigen „System Facebook“ der Datenschutz keine Rolle spielte. Das könnte langfristig zum größten Problem von Facebook werden. Denn im Internet warten die Nutzer nicht darauf, daß ihre Daten in Jahren sicherer gemacht werden, sondern sie erwarten es sofort. Kann Facebook hier nicht liefern, könnte das bisherige Wachstumstempo schnell Geschichte sein. Schon jetzt zeigt Facebook klare Tendenzen, die der Werbewirtschaft kaum gefallen dürften.

Immer mehr junge Nutzer wandern zu anderen Netzwerken ab, während das Durchschnittsalter bei Facebook stetig ansteigt. Damit könnte Facebook in den sogenannten relevanten Werbezielgruppen zunehmend uninteressant werden. Sollte Facebook bei der Datensicherheit nicht zügig und nachvollziehbar nachbessern, könnten am Ende immer mehr Nutzer das Vertrauen in die Plattform verlieren. Und dann wäre wohl der Tag nicht weit, an dem das bisherige Nutzerwachstum zum Stillstand kommt und womöglich rückläufig wird.

Das wäre auch der Tag, an dem die Wachstumsstory Facebook vorbei wäre und damit auch die hohe Börsenbewertung. Am Ende scheint es für Facebook nur einen glaubwürdigen Weg aus der Krise zu geben: Auch im Topmanagement müssen Veränderungen her. Denn aus Sicht des Marktes hat Zuckerberg sein Credo als Macher verloren.

Firmennachrichten der Facebook Inc.: de.newsroom.fb.com

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