© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/18 / 06. April 2018

Zeitschriftenkritik: JWD
Gute-Laune-Simulation
Werner Olles

Eigentlich schien die bunte Spaßgesellschaft hierzulande zumindest publizistisch an ihr Ende gelangt zu sein. Doch offenbar gilt immer noch das Diktum von Theodor W. Adorno über „die dezidierte Proklamation von Verschwendungssucht und Champagnerfröhlichkeit, wie sie früher den Attachés in ungarischen Operetten vorbehalten war“, und die heutzutage „mit tierischem Ernst zur Maxime des richtigen Lebens erhoben wird“. Denn kürzlich erschien erstmals mit einer Druckauflage von 200.000 Exemplaren und dann mit zehn Ausgaben jährlich das neue Magazin JWD aus dem Verlagshaus Gruner + Jahr. Der Name steht für „Joko Winterscheidts Druckerzeugnis“ oder für „Janz weit draußen“. Verbunden mit der „Reportertradition“ des Stern, zu dessen Markenfamilie die Zeitschrift gehört, soll JWD laut seinem Herausgeber „ein Magazin über Menschen, Orte und Absurditäten für jeden, der Bock auf gute Geschichten hat“, sein. Es geht also nicht nur um die hippe Millenium-Generation, sondern um alle, die „Spaß an ausgefallenen Unternehmungen und Unsinn“ haben, und sich von Geschichten über kiffende Nonnen in Kalifornien oder einen Nackt-Karaoke-Wettbewerb in Paris angesprochen fühlen. Der Leser soll dazu inspiriert werden: „Zieh los und mach mit! Es kommt nicht darauf an, ob du gewinnst oder scheiterst, sondern darauf, der Welt offen zu begegnen und sich auszuprobieren.“

Besonders neu ist das zwar alles nicht, denn in Zeiten des Übergangs und der Unsicherheit schlägt auch immer die Stunde der Harlekine, Obskuranten, Selbstdarsteller und Subjekt-Feuilletonisten verschiedenster Couleur, mit einem Wort: der Postmodernisten. Gleichzeitig handelt es sich aber auch um einen wirklichen Epochenbegriff, der allerdings auf eine Epoche der Oberflächlichkeit und des bloß Modischen verweist. Entsprechend ist das 162 Seiten umfangreiche Heft gespickt mit teuren Werbeanzeigen unter anderem aus der Modebranche und von diversen Automarken. Dazwischen erwarten den Leser Reportagen über den ersten deutschen Puff mit Sexpuppen in Dortmund, einen Porsche-Sammler in Los Angeles, eine nachgebaute Marsstation in der Wüste von Oman, nicht keusch lebende Nonnen, die sich zur dunklen Seite bekehrt haben, eine Mondzeremonie für zwei Novizinnen feiern und mit dem Anbau und Verkauf von Marihuana eine Million Dollar Umsatz pro Jahr machen, sowie einen Karaoke-Abend in einem Pariser Restaurant, zu dem die Vortragenden nackt sein müssen. 

Mag also der Anspruch von JWD-Magazins auch nichtig sein, so ist doch die Nichtigkeit anspruchsvoll. Zwar segelt man haarscharf an der ersehnten Eleganz vorbei, aber die Gute-Laune-Simulation läßt man sich dennoch nicht nehmen. Davon abgesehen: Legt man zum Preis von JWD noch einen Euro drauf, bekommt man in seinem Stammcafe einen ausgezeichneten Darjeeling-Tee und ein Stück Altdeutschen Apfelkuchen. Da fällt die Wahl nicht schwer!

Kontakt: Gruner + Jahr, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg. Das Einzelheft kostet 4,40 Euro, ein Jahresabo 44 Euro. 

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