© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/18 / 06. April 2018

Wenn der Mensch Maschinen dient
Von Technik umgeben: Anmerkungen zur britischen Science-fiction-Fernsehserie „Black Mirror“
Henning Lindhoff

Die britische Fernsehserie „Black Mirror“ sorgt für Furore. Die Umwälzungen innerhalb der westlichen Gesellschaft, hervorgerufen durch die Digitalisierung und Vernetzung aller Alltagsfacetten, werden auch in der aktuell vierten Staffel geschickt weitergesponnen und entfesseln eine zum Teil erschreckende Prophetie.

Die 2011 gestartete Serie erinnert in ihrer Erzählweise stark an das TV-Phänomen „Twilight Zone“ aus den 1960er Jahren. Jede einzelne Episode erzählt eine eigene Geschichte. Dystopische Elemente stehen im Vordergrund, brechen sich im Laufe der Erzählung langsam Bahn. In Staffel vier ist es beispielsweise ein kleiner Chip im Gehirn der Tochter, der ihre Mutter in Höhen steigen läßt, die heutzutage noch kein Helikopter-Elternteil erreichen kann, und die Beziehung beider verunmenschlicht.

Doch schon heute haben wir viele technische Errungenschaften zur Verfügung, um uns das gesellschaftliche Leben zu verderben. „Black Mirror“ setzt insoweit an Ist-Zuständen an. Es gibt immer weniger Rückzugsmöglichkeiten aus der mechanisierten Welt. Alles kann jederzeit öffentlich werden, selbst die eigene, ganz intime Gedankenwelt. Der sogenannte „Gedächtnisbagger“ der ehrgeizigen Versicherungskauffrau Shazia schaufelt in der vierten Staffel der Serie jede Erinnerung ans Tageslicht. Mit Hilfe eines Sensors und eines kleinen grauen Kästchens, das aussieht wie ein tragbares Fernsehgerät, empfängt sie Sendungen direkt aus den Gehirnen von Augen- und Ohrenzeugen. Das ist nicht nur nützlich, um Versicherungsfragen zu klären, weshalb eine Architektin bis ans Äußerste geht, um eine schwere Jugendsünde für immer unter den Teppich zu kehren.

Haushaltsroboter agiert autonom

In der Episode „Hang the DJ“ geht es um ein Dating-System, das Menschen zusammenführt, ihnen dafür aber nur zwölf Stunden Zeit gibt. Der schwedische Philosoph Nick Bostrom, bekannt für seine Veröffentlichungen zur Technikfolgenabschätzung, legte mit seiner Simulationstheorie das Fundament für diese Erzählung.

Bezug auf die militärischen Entwicklungen aus dem Hause Boston Dynamics nimmt die Episode „Metalhead“. Der Roboter SpotMini, die reale Vorlage dieser Geschichte, wird von seinen Entwicklern als ein „wendiger Roboter“ beschrieben, der „Objekte handhabt, Treppen erklimmt und in Büros, Wohnungen und im Freien operiert“. Auf der Internetseite des Unternehmens zeigt ein Video, wie SpotMini herumläuft, Haushaltsarbeiten erledigt und sich gar nach einem Sturz selbst wieder in Ordnung bringt. Im Gegensatz zu seinem tödlichen Zwilling in „Metalhead“ wirkt der Roboter in den Werbevideos von Boston Dynamics hilfreich, ja sogar freundlich.

Nur zu gern stellen wir uns eine Zukunft vor, in der Roboter wie der SpotMini eingesetzt werden, um uns im Haushalt zu helfen. Doch in der alptraumhaften Zukunft, die uns „Black Mirror“ vorspielt, agiert das mechanische Wesen auf vier Beinen autonom. Im Verlauf dieser Episode jagt es eine Frau, die verzweifelt versucht, den Sensoren der Maschine auszuweichen.

Die Nutzer werden schrittweise versklavt

Den Sensoren einer mächtiger werdenden Maschinerie ausweichen … Gelingt uns dies 2018 noch? Haben wir nicht bereits einen Großteil unserer persönlichen Autonomie ausgewählten Technologien geopfert? Selbst ehemalige Führungskräfte aus dem Silicon Valley, heute desillusioniert, sprechen über die negativen sozialen Nebenwirkungen genau jener Programme, die sie selbst mitentwickelt haben. Nicht wenige von ihnen schützen ihre Kinder vor Smartphones und Tablets. Die Waldorf School of the Peninsula, 20 Autominuten von der Facebook-Zentrale in Menlo Park entfernt, erfreut sich seit Jahren wachsender Beliebtheit.

Bereits 1992, kurz bevor das Internet zu seinem großen Sprung ansetzte, schrieb der US-amerikanische Kulturkritiker Neil Postman das Buch „Technopoly: The Surrender of Culture to Technology“. Postman argumentiert darin, daß unsere moderne Vorstellung von Technologie gefährlich verzerrt wird. Der technologische Fortschritt werde als Selbstzweck betrachtet. Ohne eine starke organisch gewachsene Kultur, die auch technische Entwicklungen zu beeinflussen vermag, riskierten wir, so Postman, unsere bürgerlichen Werte zu untergraben angesichts mächtiger neuer Technologien, die nach ihrer eigenen Logik funktionierten. Anstatt Erfindungen zu schaffen, die unsere Bedürfnisse befriedigen, fangen wir an, uns an die Bedürfnisse unserer Erfindungen anzupassen. „Black Mirror“ zeigt, was passiert, wenn sich der Mensch an die Maschine anpaßt. 

Neue Phänomene wie Virtual Reality und Social Network Rankings – blindlings in dem Glauben genutzt, daß sie unser Leben besser machten – werden dabei allmählich zu Vehikeln autoritärer sozialer Kontrolle. Die Versklavung der Nutzer geschieht schrittweise. Es wird höchste Zeit, darüber nachzudenken, wie wir zu diesem Punkt gekommen sind – und wie wir wieder zurückfinden.