© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/18 / 06. April 2018

Verstörende Brutalität
Horror: „Ghostland“ von Pascal Laugier im Kino
Claus-M. Wolfschlag

Anspruchsvolle Filmfreunde stehen den Blüten des Genre-Kinos oft verständnislos gegenüber, bleibt es doch im Gegensatz zu Independent-Produktionen  meist an der Oberfläche. Seine Funktion besteht vor allem darin, mehr oder minder Erwartungen zu bedienen. Will der Zuschauer lachen, geht er in eine Komödie, will er schmachten, schaut er sich einen Liebesfilm an, braucht er moralische Erbauung, so kann er sich einen der zahlreichen Filme zu Randgruppen-Helden ansehen, die nach Diskriminierungserfahrungen am Ende ihr Recht auf Gleichheit erstreiten.

Ähnlich ist es beim Horror-Fan. Dieser möchte erschaudern, sich erschrecken, ekeln – und das alles mit Popcorn und Pepsi  im bequemen Kinosessel. Dabei ist mindestens seit „Torture Porn“-Streifen à la „Saw“ eine Tendenz zur Erhöhung der Dosis in Richtung Brutalität erkennbar. 

Trauma nach einem Überfall

Solche Brutalität durchfließt auch Pascal Laugiers neuen Streifen „Ghostland“. In diesem zieht eine Mutter mit ihren beiden Töchtern Beth und Vera in das alte Haus der verstorbenen Tante. Doch bereits in der ersten Nacht werden sie von rücksichtslosen Einbrechern überfallen und auf brutalste Weise malträtiert.

16 Jahre später wird Beth (Crystal Reed), eine mittlerweile glücklich verheiratete und erfolgreiche Horror-Schriftstellerin, durch einen Anruf ihrer Schwester dazu gebracht, das alte Haus wieder aufzusuchen, in dem ihre Mutter immer noch lebt. Vera, die dort in einer Art Gummizelle haust, hat das Trauma des Überfalls offenbar nicht verkraftet und scheint unter starken Wahnvorstellungen zu leiden. Und bald kommt es zu seltsamen Vorfällen …

„Ghostland“ ist ein reiner Genre-Film. Auf Charakterzeichnungen verzichtet er weitgehend. Dafür ist die Konzentration auf den Schock und die Brutalität um so intensiver. Immerhin recht interessant ist das – allerdings auch aus anderen Filmen bekannte –  Spiel mit verschiedenen Bewußtseins- und Selbsttäuschungsebenen. So hinterläßt „Ghostland“ Ratlosigkeit. Einerseits nutzt der Film bekannte Horror-Stilmittel ohne den Anspruch, daraus etwas Höherwertiges zu schaffen. Andererseits wirkt er gerade durch den Verzicht auf jede Tiefenschärfe oder andere „Ablenkung“ von diesem grotesken Gewaltexzeß verstörend.