© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/18 / 13. April 2018

Viel Arbeit, wenig Ruhm
Parteitag: Niedersachsens AfD hat nach langem Hickhack wieder einen Vorstand
Christian Vollradt

Spaß muß sein!“ steht am Aufgang zum großen Saal in der Braunschweiger Stadthalle. Ein Motto für den Parteitag der niedersächsischen AfD? Nein, das Plakat kündet von alten Zeiten in dem klobigen Bau aus Waschbeton, als vor 50 Jahren Hans Rosenthal hier gastierte. Den mehr als 500 Parteimitgliedern am vergangenen Wochenende steht der Sinn ganz offensichtlich weniger nach Spaß. Denn die Lage im Landesverband ist ernst, er gilt innerhalb der Partei als hartnäckigster Problemfall (JF 15/18). 

Armin-Paul Hampel, bis zur vom Bundesvorstand erzwungenen Absetzung vier Jahre lang Parteivorsitzender in Niedersachsen, ist am Samstag morgen offensichtlich noch zuversichtlich, seinen alten Posten wiederzuerlangen. Fröhlich lachend durchstreift er die Stuhlreihen, begrüßt Parteitfreunde, winkt, lacht, klopft auf viele Schultern.   

Derweil spricht Bundesvorstandsmitglied Stephan Proschka von zehn harten Wochen, die er sowie seine Kollegen Kay Gottschalk und Dirk Nockemann hinter sich hätten. Als Notvorstand haben sie den Parteitag maßgeblich organisiert. Der Oberbayer motiviert seine Parteifreunde: „Ab morgen habt’s ihr wieder einen funktionierenden Vorstand!“ Und mit dieser Prognose sollte er am Ende recht behalten.  

Rund acht Stunden später hat Dana Guth am Vorstandstisch Platz genommen. Die Fraktionsvorsitzende im Landtag von Hannover – lange Zeit Herausforderin und ärgste Rivalin des ehemaligen Parteichefs – hatte sich zuvor in einer Stichwahl mit 280 Stimmen gegen Hampel (205 Stimmen) durchgesetzt. Den fassungslosen Gesichtern seiner Getreuen stand der Jubel unter den Anhängern Guths entgegen. 

Vorausgegangen waren der Wahl teilweise hitzige Wortwechsel. Insbesondere der Bericht des vom Notvorstand beauftragten Rechnungsprüfers sorgte für Empörung unter den Teilnehmern. Laut diesem Bericht fehlten im Zeitraum von 2013 bis Ende 2017 Belege oder Finanzierungsbeschlüsse für Ausgaben in Höhe von insgesamt 27.333 Euro. Dazu zählten unter anderem Kosten für Übernachtungen und Bewirtung. Über 9.000 Euro wurden an einen Journalisten gezahlt – ohne genauen Nachweis einer Leistung. Angeblich habe der angeboten, gegen Honorar Landtagssitzungen zu protokollieren; etwas, das es im Internet kostenlos gibt. 

„Kein Geheimbund,        sondern Dienstleister“

Ein „perfides Spiel“ nennt Hampel diesen Bericht: „Wenn sie dich nicht inhaltlich packen können, machen sie es über die Finanzen“. Jede seiner Ausgaben habe er ordnungsgemäß abgerechnet, versichtert er – „bei meiner Ehre, die ich immer noch habe“. Andere zeigten sich in ihren Wortmeldungen dagegen „entsetzt“, ein AfD-Mitglied sprach von teilweise „kriminellem“ Verhalten.

Daß der Kassenbericht Teil einer Parteitagsregie ist, die eine Wiederwahl des früheren Vorsitzenden unwahrscheinlich machen sollte, ist keine aus der Luft gegriffene Verschwörungstheorie. An der Spitze der Bundespartei gab es niemanden, der Hampel halten wollte. Parteichef Jörg Meuthen hatte sich in seinem Grußwort zwar  betont neutral gegeben, Schuldzuweisungen vermieden und gefordert, ein Neuanfang müsse Vorrang vor der Vergangenheitsbewältigung haben. Doch eine Aussage verstanden viele im Saal nicht zu Unrecht als auf Hampel gemünzt: „Keiner ist so wichtig wie die Mission, die wir zu erfüllen haben. Wer sich und sein Ego darüberstellt, ist hier falsch und wird keine Zukunft haben.“ 

Hampel habe „die Chance vertan, erhobenen Hauptes zu gehen“, meint ein Parteimitglied, das ihm noch wohlgesonnen ist. Der schien sich indessen in sein Schicksal zu fügen. Daß er trotz der „Kampagne gegen meine Person“ noch 40 Prozent der Stimmen erhielt, sei doch ganz beachtlich, äußerte es gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Am Sonntag nahm er schon nicht mehr am Parteitag teil, auch die Reihen seiner Unterstützer hatten sich erheblich gelichtet. Das trug dazu bei, daß dem neuen Vorstand fast ausschließlich Vertraute Guths aus der Initiative „Neustart 2018“ angehören.

In ihrer Bewerbungsrede hatte Dana Guth eine bessere organisatorische Arbeit des Vorstands versprochen. Der sei „kein Geheimbund, sondern ein Dienstleister“ für die Mitglieder. Nach ihrer Wahl unterstrich sie, sie sei nicht so naiv zu glauben, die tiefen Gräben innerhalb der Landespartei ließen sich nun schnell zuschütten. Gegenüber der jungen freiheit bekräftigte sie ihr Vorhaben, Mediatoren in besonders zerstrittene Verbände zu entsenden. Außerdem werde sie sorgfältig juristisch prüfen lassen, ob die AfD Forderungen gegenüber Mitgliedern des vorigen Landesvorstands geltend machen könne. 

Die neue Spitze erwarte „viel Arbeit, aber wenig Ruhm und Dankbarkeit“, räumt einer der Neulinge im Gespräch mit der JF ein. Erschwerend kommt hinzu, daß die bisherige angestellte Mitarbeiterin der Landesgeschäftsstelle, eine Hampel-Vertraute, unmittelbar nach dem Parteitag gekündigt hat. Fraglich, wie kooperativ die Übergabe verlaufe, meint das Vorstandsmitglied. Dennoch sei man „verhalten optimistisch“. 

Wer die Treppe hinab zum Ausgang der Braunschweiger Stadthalle strebt, passiert ein weiteres historisches Veranstaltungsplakat: Es warb für „Das 1x1 der Freude“, ausgerichtet von der Firma „Spar“. Vielleicht eine versteckte Botschaft für die niedersächsische AfD ...