© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/18 / 13. April 2018

Gefährliche Kinderkrankheiten
Luftfahrt: Den neuen Airbus A320neo plagt Ärger mit Pratt & Whitney-Triebwerken
Fabian Schmidt-Ahmad

So recht scheint es auch Airbus noch nicht zu glauben. Es gab nur eine knappe Meldung, in der der europäische Konzern bekanntgab, die Auslieferung des neuen Airbus A320neo wieder aufzunehmen. Das wäre das Ende einer Pannenserie rund um das wichtigste Modell des Flugzeugbauers. Denn der A320 leitete seit seinem Erstflug 1987 nicht nur eine technische Revolution in der Passagierluftfahrt ein, der Kurz- und Mittelstreckenflieger wurde in zahlreichen Varianten und Modernisierungen mit rund 8.000 gebauten Exemplaren auch zum Rückgrat des Unternehmens.

Vor acht Jahren beschloß Airbus die Entwicklung des A320neo, der ab 2015 den ewigen Rivalen Boeing das Fürchten lehren sollte: Dessen vor fünfzig Jahren erstmals bei der Lufthansa in Dienst gestellte 737-Baureihe ist mit 10.000 bislang gefertigten Exemplaren (Stand: März 2018) das meistverkaufte Verkehrsflugzeug der Welt. Preislich liegen beide Konkurrenten eng beieinander: Der A320neo hat einen durchschnittlichen Listenpreis von aktuell 110,6 Millionen Dollar. Für den direkt vergleichbaren 737 MAX 8 verlangen die Amerikaner derzeit je nach Ausstattung im Schnitt 117,1 Millionen Dollar.

Beim A320neo steht das angefügte Kürzel für „New-Engine-Option“. Hier erhalten Käufer bei einem Aufpreis von etwa zehn Prozent die Möglichkeit, sich zwischen zwei neuentwickelten, hocheffizienten Mantelstromtriebwerken zu entscheiden. Zur Auswahl stehen das amerikanische PW1100G von Pratt & Whitney oder das französisch-amerikanische Leap-Triebwerk von CFM International.

Etwa die Hälfte der Kunden bestellten das PW1100G – und handelten sich einiges an Ärger ein. Die Lufthansa nahm als erste Fluggesellschaft den modernisierten Flieger vor anderthalb Jahren in ihre Flotte auf. Irgendwann sollen es einmal 61 Exemplare des A320neo und 40 Exemplare der gestreckten Variante A321neo werden. Doch davon ist man derzeit weit entfernt. Erst zehn Stück wurden übergeben – und die waren öfter am Boden, als es Lufthansa-Chef Carsten Spohr recht sein kann.

Weniger Treibstoffverbrauch und nur halb so laut

Eine störanfällige Software und ungewohnter Verschleiß insbesondere in heißen Weltgegenden plagen seitdem die High-Tech-Triebwerke. Ausgerechnet eine nachgebesserte Version sorgte zum Jahresanfang für beklemmende Momente, als sich mehrmals Triebwerke in der Luft ausschalteten. Flugeinschränkungen waren die Folge. Wie sich herausstellte, war bei einigen Baulosen eine fehlerhafte Dichtung die Ursache. Nun will Pratt & Whitney zügig nachliefern.

Eile tut not, denn im Airbuswerk in Toulouse stauen sich fertige Flieger, während weltweit Kunden warten. Schadenfreude bei den Bestellern des Leap-Triebwerkes ist allerdings fehl am Platz. Der Hersteller liegt mit der Auslieferung ebenfalls hinter dem Zeitplan zurück. Doch stellen die Mantelstromtriebwerke neuester Generation auch einen Entwicklungssprung dar. Bei gleicher Schubkraft sollen sie rund 15 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen und nur halb so laut sein, was oft geringere Flughafengebühren heißt.

In einer Branche, in der der Kerosinverbrauch pro Sitzplatzkilometer der wichtigste Kostenfaktor ist, sind das Welten. Ermöglicht wird dies durch ein günstiges Verhältnis von Mantelstrom zu Kernstrom. Bei zivilen Jets trägt der Abgasstrahl der Turbine kaum noch zum Vortrieb bei. Dieser wird vor allem durch die Schaufelblätter gebildet. Konventionelle Modelle haben ein Verhältnis von etwa 1:8. Mit ihrem gewaltigen Durchmesser von zwei Metern erreichen die beiden Neuentwicklungen 1:12 beziehungsweise 1:11.

Damit sich Schaufelrad und Turbine in der jeweils optimalen Geschwindigkeit drehen können, setzt Pratt & Whitney auf ein Übersetzungsgetriebe. Bei einem Triebwerk dieser Schubkraft ein Novum, was auch die derzeitige Störanfälligkeit mit erklärt. Das Konkurrenzprodukt von CFM International ist etwas einfacher aufgebaut. Hier ermöglichen vor allem neuartige Materialien eine höhere und damit effizientere Brenntemperatur. Gemeinsam ist beiden, daß sie größer und schwerer als ihre Vorgänger sind.

Das ist ein Problem für den Rivalen Boeing, der als Reaktion zur A320neo-Baureihe die 737 MAX-Familie entwickelt hat. Diese verwendet gleichfalls das Leap-Triebwerk. Da die 737 aber eine geringere Bodenfreiheit als der A320 hat, kann nur ein kleinerer Schaufelblattdurchmesser verbaut werden, was sich wiederum nachteilig auf die Effizienz auswirkt. Das Nebenstromverhältnis liegt hier vergleichsweise ungünstig bei 9:1. Bis der A320neo seine Kinderkrankheiten auskuriert hat, muß sich Boeing also etwas einfallen lassen.

Passagierflugzeug A320neo: airbus.com

Pratt & Whitney-Flugzeugtriebwerke: www.purepowerengine.com

Leap-Triebwerke von CFM International: www.cfmaeroengines.com