© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/18 / 20. April 2018

Beim Barte des Propheten
Islam: Der linke Berliner Senat und erzkonservative moslemische Verbände streiten über einen Lehrstuhl
Fabian Schmidt-Ahmad

Nun also doch. Nach einer Krisensitzung mit dem Berliner Senat vergangenen Freitag sagte der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) seine Unterstützung für das zu gründende Islaminstitut zu. „Obwohl wir Bedenken haben, was die Umsetzung der religionsverfassungsrechtlichen Vorgaben betrifft, haben wir uns zu diesem Schritt entschlossen, um dieses wichtige gemeinsame Ziel, eine Islamische Theologie an der Humboldt-Universität Berlin zu errichten, nicht zu gefährden“, gab sich die stellvertretende Landesvorsitzende Lydia Nofal kompromißbereit.

Noch vor wenigen Tagen klang das weniger staatstragend. Buhmann war hier der Historiker Michael Borgolte, der als Gründungsbeauftragter die undankbare Aufgabe hat, die Akteure des rot-rot-grünen Prestigeprojektes an einen Tisch zu bringen. Diesem würden „selbst nach zweijähriger Beschäftigung mit dem Thema noch immer grundlegende Kenntnisse und Kompetenzen fehlen“, schimpfte Nofal damals. Borgolte sei seiner Rolle „nicht gewachsen“ und ein Scheitern der Verhandlungen sei „nicht zuletzt dem dilettantischem Vorgehen des Moderators zuzuschreiben“. 

Islamverbände stören sich an Wissenschaftlern

Der Spezialist für Kulturaustausch im Mittelalter hatte seinerzeit über den „Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden und mit den Patriarchen von Jerusalem“ promoviert. Jetzt kennt er orientalische Diplomatie aus eigener Erfahrung. Denn schlußendlich geht es hier nur um Macht. Nach Vorbild Theologischer Fakultäten soll das Institut einen konfessionellen Beirat erhalten, der unter anderem über die Berufung von Professoren entscheidet. Die komplizierte Konstruktion ist erforderlich, weil hier staatliches Neutralitätsgebot und Bekenntnisunterricht zusammentreffen.

Fünf Islamverbände sollen nach dem Willen von Staatsekretär Steffen Krach (SPD) im Beirat vertreten sein: Die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden (IGS), die ihre Teilnahme als einzige fristgerecht zusagte, gilt als dem iranischen Regime hörig. Folge: ein schwerer Stand gegenüber den anderen Verbänden, was ihre Geräuschlosigkeit erklärt. Diese geben sich nicht leise. Die Islamische Föderation Berlin (IFB) moniert etwa, der Vertragsentwurf greife „in das Selbstverwaltungs- und Organisationsrecht der Religionsgemeinschaften ein“. Daher will die IFB ihre Zustimmung von einer Mitgliederbefragung am kommenden Wochenende abhängig machen. 

In der Tat gäbe es bei der IFB einiges zu klären. So tritt die Vereinigung praktisch als Landesverband der Millî Görüs auf. Auch die übrigen Verbände zeigen Nähe zum moslemisch-türkischen Chauvinismus. Dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) wird Indoktrination von Jugendlichen vorgeworfen. Und die Ditib, die bisher eine Beiratsarbeit ablehnt, ist deutscher Ableger der türkischen Religionsbehörde. Was den ZMD angeht, so ist dessen Gründer Nadeem Elyas nicht nur politischer Ziehvater des heutigen Sprechers Aiman Mazyek, sondern auch wegen Verbindungen zur Moslembruderschaft immer wieder Ziel von Kritik. 

Säkular eingestellte Moslems indes werden im Beirat des Islaminstitutes nicht vertreten sein. Das ist keine Kleinigkeit, denn das Institut, das sich der Senat bis zum Jahr 2022 dreizehn Millionen Euro kosten lassen will, soll vor allem Islamlehrer für den Schulunterricht ausbilden. Die Ausrichtung des Institutes wird also erheblichen Einfluß auf künftige Generationen von in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Moslems haben. Verständlich, warum die Islamverbände darüber feilschen wie auf einem Basar. Größtes Ärgernis ist für sie die Zusammensetzung des Beirats, dem laut Senat auch vier Wissenschaftler mit gleichem Stimmrecht angehören sollen.

Damit hätten die Verbände im Beirat weit weniger Möglichkeiten, mißliebige Dozenten zu verhindern. Erinnerungen an den Islamwissenschaftler Sven Kalisch werden wach, der 2004 an der Universität Münster das erste deutsche Islaminstitut für Lehrerausbildung leitete. Dabei nahm es Kalisch mit der historisch-kritischen Methode allerdings so genau, daß er nach Quellenkritik zum Schluß kam, die historische Gestalt Mohammed sei in Wirklichkeit eine legendierte Rückprojektion späterer Zeiten gewesen – Skandal, Studentenproteste, Polizeischutz und Abberufung Kalischs inklusive.

Daß sich solche Freigeisterei in Berlin breitmacht – da sei Allah davor! Und eben die fünf strenggläubigen Verbände, die ihren Einfluß eifersüchtig sichern. Allerdings kommen sie damit der Berliner Linkspartei ins Gehege, die sich teilweise als Schutzmacht säkularer Moslems versteht. „Wenn es kein Einlenken gibt, muß die Beiratszusammensetzung neu diskutiert werden“, grollte deren Wissenschaftssprecher Tobias Schulze via Twitter. Ziel solle eine „breite Legitimation“ des Kontrollgremiums sein. Sprich: Auch liberale Moslems sollen vertreten sein.

Kandidaten wie die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin gäbe es durchaus. Die dürften allerdings weniger ein Problem mit Islamwissenschaftlern vom Schlage Kalischs haben, als vielmehr mit der fundamentalistischen Lesart des Korans, wie sie unter den bisherigen Gesprächpartnern selbstverständlich ist. Der damit vorprogrammierte Streit konnte bereits bei der Deutschen Islamkonferenz des Innenministeriums beobachtet werden. Hier endete er damit, daß sich säkulare Moslems nach massiven, auch persönlichen, Anfeindungen zurückzogen. Kein gutes Omen für Berlin.