© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/18 / 20. April 2018

Katalonien wird an der Isar verteidigt
Tagung der Europäischen Freien Allianz: Regionalismus und Separatismus stehen wieder hoch im Kurs
Thorsten Brückner

Der Regionalismus – das beweisen der Katalonien-Konflikt und der Sieg der korsischen Nationalisten bei der Regionalwahl Ende 2017– ist im Kommen. Davon hofft auch die Bayernpartei zu profitieren, die bei der Landtagswahl im Herbst den Wiedereinzug ins Maximilianeum anpeilt. Für die Partei, die vergangenes Wochenende Gastgeberin der diesjährigen Generalversammlung der Europäischen Freien Allianz war, zeigt die Formkurve klar nach oben. Bei der vergangenen Landtagswahl konnte sie ihren Stimmenanteil fast verdoppeln. 

Gelbe Schleifen aus         Solidarität mit Katalonien

Wie bei der Bayernpartei handelt es sich auch bei den anderen Mitgliedern der Allianz um Bewegungen, die innerhalb ihrer jeweiligen Staaten entweder für mehr Autonomie oder die Unabhängigkeit kämpfen. Im Europaparlament bildet die Freie Allianz eine Fraktionsgemeinschaft mit den Europäischen Grünen. Somit würde die Bayernpartei – sollte sie ins nächste Europaparlament einziehen – mit Grünen-Politikern wie Ska Keller und Rebecca Harms in ein und derselben Fraktion sitzen.

Daß ihm diese Vorstellung Bauchschmerzen bereitet, merkt man Bayernpartei-Chef Florian Weber an diesem Tag in Landshut an. Er gibt aber im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT zu bedenken: „Im Europaparlament gibt es keine Fraktionsdisziplin wie im Bundestag. Man hat dort als einzelner Abgeordneter sehr viel Freiheit.“

Das erste, was dem Besucher der Tagung in der niederbayerischen Bezirkshauptstadt ins Auge sticht, sind die gelben Schleifen, die viele der Teilnehmer tragen – das Symbol der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung und ein Bekenntnis zur Freilassung der politischen Gefangenen, die derzeit wegen ihrer Beteiligung am Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 in spanischen Gefängnissen sitzen. 

Der Katalonien-Konflikt nimmt auf der Generalversammlung in der Stadt an der Isar breiten Raum ein. Der EFA-Vorsitzende, der Korse François Alfonsi, erklärte im Namen der Parteienallianz seine Solidarität mit den inhaftierten Katalanen und ihrem Streben nach Selbstbestimmung. Weber versicherte den Katalanen: „Wir stehen fest an eurer Seite.“

Große Aufmerksamkeit erhielt da schon folgerichtig der katalanische Europaabgeordnete Josep Maria Terricabras. Seine Partei, die Esquerra Republicana, war zuletzt Koalitionspartner von Carles Puigdemonts Parteienallianz Junts pel Sí. Ihr Vorsitzender, Oriol Junqueras, sitzt seit sechs Monaten in einem spanischen Knast.

Gegenüber der JF bringt Terricabras seine Freude darüber zum Ausdruck, daß „immer mehr Menschen in Bayern und Deutschland“ nun das wahre Gesicht Spaniens erkennen. „Nach Francos Tod dachte man in Deutschland, alle Probleme seien gelöst, aber die Kinder und Enkel Francos sind immer noch an der Macht“, sagt der 71jährige in fließendem Deutsch. Er erwarte nicht, daß sich Menschen außerhalb Kataloniens für die Unabhängigkeit der Region einsetzten. „Aber ich hoffe, daß sie alle für Demokratie, Dialog und Menschenrechte sind und daß sie nicht akzeptieren, wenn Menschen unschuldig im Gefängnis sitzen.“

Die Katalanen würden nicht aufhören, für ihr Recht auf Unabhängigkeit zu kämpfen. Gleichzeitig erteilt Terricabras Gewalt eine klare Absage. „Ich versichere Ihnen, wir werden nicht zur Gewalt greifen.“ Man setze weiter auf zivilen Ungehorsam, den „Ghandi-Weg“ wie er betont. „Gewalt ist das, was die machen“, sagt er mit Blick auf die Übergriffe der spanischen Polizei gegen friedliche Wähler und Demonstranten am Referendumstag und in den Monaten darauf.

Zu den Verhaftungen katalanischer Politiker, die wesentlich dazu beigetragen haben, die Bildung einer neuen Regierung zu verhindern, meint er: „Das ist Rache. Ich glaube wirklich, daß die verrückt geworden sind.“ Sollte die Bildung einer neuen Regierung bis zum 22. Mai nicht gelingen, würde es in Katalonien automatisch zu Neuwahlen kommen. „Das wäre das Ende“, befürchtet Terricabras. „Unsere Leute sind müde. Sie fragen sich, wieso man keine Regierung bilden kann, wenn man doch eine Mehrheit hat.“

Auf der Tagung zeigt sich: Die Ereignisse in Katalonien haben unter den Separatisten eine Aufbruchstimmung erzeugt, die weit über die Pyrenäen hinausgeht. „Die Freunde in Katalonien geben uns allen Mut. Selbstbestimmung ist möglich. Der Wille danach kann nicht aufgehalten werden“, erklärte Weber. Auch die Waliser Europaabgeordnete Jill Evans pries die große Unterstützung für Katalonien in Wales und den damit verbundenen Auftrieb für die Waliser Nationalbewegung um Plaid Cymru.

Inhaltlich heiß her ging es im Konferenzraum am Freitag dann vor allem bei der Frage nach einem möglichen Ausschluß der sardischen Regionalpartei „Su Partitu Sardu“, die eine Allianz mit der von vielen Teilnehmern als rechtsradikal bewerteten Lega eingegangen war. Am Ende einigt man sich auf einen Kompromiß: Die Stimmrechte der Partei in der EFA wurden für ein Jahr suspendiert. Eine mehr oder weniger symbolische Entscheidung. Die Bayernpartei stimmte gegen die Sanktionierung.

Süd-Tiroler Freiheit gegen Fremden- und Selbsthaß

Die Süd-Tiroler Freiheit (STF) enthielt sich der Stimme. „Wir wollten uns da nicht hineinziehen lassen“, sagt Parteisprecher Christian Kollmann der JF. Die STF wäre nie ein Bündnis mit der Lega eingegangen, stellt er klar. Gleichzeitig kritisiert er die doppelten Standards der EFA im Umgang mit nationalistischen Phänomenen. In bezug auf die Selbstbestimmung Süd-Tirols oder die Verteidigung faschistischer Ortsnamen verträten etwa die Grünen in Deutschland, Österreich oder auch in Süd-Tirol dieselbe Politik wie die italienische Rechte.

So habe etwa die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms, die in einer Fraktion mit den zwölf EFA-Abgeordneten sitzt, den Süd-Tirolern „provinziellen Egoismus“ vorgeworfen und eine Solidarisierung mit dem italienischen Staat gefordert. „In so einem Moment verwundert es mich dann schon, daß solche Leute in einer Fraktion mit der EFA sitzen“, gibt sich Kollmann nachdenklich. Für die Süd-Titoler Freiheit stellt er klar: „Wir sind gegen Fremdenhaß, aber wir sind auch gegen Selbsthaß“, wie ihn etwa die Grünen an den Tag legten. 

In einem weiteren Punkt herrschte hingegen Einigkeit unter den 38 Mitgliedsparteien. In einer Resolution sprachen sie sich gegen die Pläne der EU-Mitgliedsstaaten aus, für Länder mit mehr als 35 Sitzen im EU-Parlament eine Sperrklausel bei Europawahlen einzuführen.