© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/18 / 20. April 2018

Der „Rote Baron“ blieb in den Lüften unbesiegt
Vor einhundert Jahren wurde der Jagdflieger Manfred von Richthofen abgeschossen / Ein Trauerfall erschütterte die ganze Nation
Hans-Jürgen Wünschel

Richthofen ist tot. Unsere Flieger werden froh sein, daß er außer Gefecht ist; aber es wird keinen unter ihnen geben, der nicht aufrichtig den Tod eines tapferen Edelmanns betrauern wird. (…) Er war ein tapferer Mann, ein anständiger Kämpfer. Er ruhe in Frieden“, schrieb die britische Zeitung Aeroplane vom 24. April im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs. 83 Jahre später stellte ein britisches Expertenteam fest, daß am 21. April 1918 die tödliche Kugel von einem MG-Schützen auf den nur wenige Meter über dem Boden fliegenden Dreidecker Richthofens abgefeuert worden war. Als bekannt wurde, daß das deutsche Fliegeras den Fokker Dr. I geflogen hatte, wurde seine Maschine geplündert. Einige kleinere Gegenstände sind heute im Luftfahrtmuseum Canberra/ Australien, der Motor der Maschine ist im Imperial War Museum in London zu sehen. Nach der Untersuchung des Jahres 2001 stand jedenfalls fest, daß es mit dem Mythos des in einer heroischen Luftschlacht am 21. April 1918 vom kanadischen Fliegeroffizier Arthur Roy Brown abgeschossenen deutschen Erfolgsjagdflieger nicht weit her war, der „Rote Baron“ war von der Kugel eines Infanteristen getroffen worden. 

Wer war dieser Pilot? Geboren am 2. Mai 1892 als zweites von vier Kindern des Kavallerieoffiziers Albrecht Freiherr von Richthofen und dessen Frau Kunigunde wuchs er zusammen mit drei Geschwistern er in Breslau und Schweidnitz auf. Als Absolvent der preußischen Kadettenanstalten Wahlstadt in Schlseien und Berlin-Lichterfelde trat er 1911 als Fähnrich in ein Ulanen-Regiment ein. In jungen Jahren begeisterte er sich für Reiten und Jagen. Sein Bruder Bolko schrieb über ihn: „Vielleicht mag anfangs Jagdlust die starke Triebfeder für Manfreds Entschluß gewesen sein, vom Sattel in den Führersitz seines weltberühmten roten Kampfflugzeuges zu steigen.“ Tatsächlich kam bei Richthofen sein Jagdinstinkt auch in den Schilderungen durch: Engländer wurden von ihm „erlegt“, ein „großes Vergnügen“ habe es ihm bereitet, „lustig unter den Brüdern aufzuräumen“. Bekannt wurde sein Spruch. „Pardon kenne ich nicht!“ 

Bei der Infanterie als Nachrichtenoffizier unterfordert, hatte er sich im Januar 1915 zur Fliegertruppe versetzen lassen. Nach seiner Ausbildung und erstem Einsatz als Aufklärungsflieger an der Ostfront wurde er zum 1. Kampfgeschwader nach Ostende abkommandiert. Schicksalhaft wurde für ihn die Begegnung mit dem damaligen Fliegeras Oswald Boelcke, der in seinen „Dicta Boelcke“ die Einsatzgrundsätze der Luftkampftaktik entwickelt hatte. Dieser beeindruckte Richthofen mit  Erzählungen über seine Luftkämpfe, so daß er beschloß: „Ich will Jagdflieger werden!“

Ende 1915 erhielt Richthofen das Diplom als Flugzeugführer. Seine Bekanntschaft mit Boelcke verhalf ihm zur Versetzung in dessen bei Cambrai stationierte Jagdstaffel. Am 17. September 1916 erzielte er seinen ersten Luftsieg, dem bis April 1918 noch 79 folgen sollten. Damit die Flugzeuge seiner Staffel  im Luftkampf besser zu erkennen waren,  strichen er und seine Kameraden ihre Maschinen bunt an. Richthofen flog einen rotgestrichenen Dreidecker, der ihm den Beinamen „Le petit Rouge“ oder „Diable Rouge“ einbrachte. 

Seinen Ruf als guter Schütze erhielt er am 23. November 1916, als eine Kugel aus Richthofens Dreidecker das 26jährige britische Flieger-As L. G. Hawker in den Kopf traf. Nach seinem 18. Luftsieg schrieb der Kaiser: „Dem tapferen Kampfflieger Leutnant Manfred von Richthofen haben wir den Orden Pour le Mérite verliehen – Gratulation! Wilhelm, Rex.“

Unter seiner Führung bereitete die Jagdstaffel 11 im April 1917 dem Royal Flying Corps eine schwere Niederlage. Richthofen allein holte vier gegnerische Flugzeuge vom Himmel. Die Briten setzten für seinen Abschuß die höchste englische Kriegsauszeichnung  aus. Während eines Luftkampfes im Juni 1917 wurde Richthofen schwer am Kopf verwundet. Getrieben von Ehrgeiz und Jagdinstinkt meldete er sich gegen ärztlichen Rat bereits nach einem Monat Lazarettaufenthalt wieder zum Einsatz. In der Heimat stieg er zu einem Idol auf, das den heldenmütigen Kampf der Deutschen symbolisierte. Post von Verehrerinnen und sogar Heiratsanträge häuften sich. Für kurze Zeit gehörte der prominente Richthofen sogar der deutschen Delegation an, die mit den Russen den Frieden von Brest-Litowsk im März 1918 aushandelte.

Zum letzten Mal hob Richthofen am 21. April 1918 mit seinem Fokker-Dr. I Dreidecker vom Flugplatz Cappy ab. Die englische 209. Squadron verwickelte ihn in einen Luftkampf. Bei einer Verfolgungsjagd eines sehr tief fliegenden feindlichen Flugzeugs wurde er dann getroffen. Zwei Tage später trugen ihn englische und australische Offiziere  auf dem Gemeindefriedhof von Bertangles zu Grabe. Französische Dorfbewohner versuchten anschließend vergeblich, den Leichnam zu schänden. Nach der Beerdigung warf ein englisches Flugzeug über dem Flugplatz seiner Einheit folgenden Zettel ab: „To the German Flying Corps. Rittmeister Baron Manfred von Richthofen was killed in aerial combat on April 21st 1918. He was buried with full military honours.“

Posthum vom Reichstag zum „Nationalheros“ erklärt

Nachdem die Nachricht vom Tode des Nationalhelden in der deutschen Öffentlichkeit bekanntgeworden war, erklärte der deutsche Reichstag Richthofen zum „Nationalheros“. Kaiserin Auguste Viktoria schrieb an die Mutter Richthofens: „Nun hat es Gott doch gefügt, daß Ihr und unser aller Stolz seine Heldenlaufbahn hat beschließen müssen.“ Die Trauerfeier fand am 2. Mai 1918 in ihrer Anwesenheit sowie höchster Militärs in der Alten Garnisonkirche von Berlin statt. 

Jahre später wurde sein Leichnam auf dem Invalidenfriedhof in Berlin im Beisein von Reichspräsident Hindenburg, Reichskanzler Hans Luther und Hunderten von Soldaten und Offizieren bestattet. Bevor dieser Friedhof 1975 auf Beschluß des Ministerrates der DDR größtenteils eingeebnet wurde, gelang es der Familie, die sterblichen Überreste umzubetten. Er ruht heute auf dem Südfriedhof Wiesbaden. Zum 43. Todestag des Freiherrn wurde dem Jagdgeschwader 71 der Bundeswehr vom damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke der Name „Richthofen“ verliehen. Das Luftwaffengeschwader sorgte 2009 dafür, daß auf dem Invalidenfriedhof ein großer Gedenkstein für ihren Namensgeber aufgestellt wurde.