© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/18 / 20. April 2018

„Darf ich High-Heels tragen?“
Programme für Schwangere versprechen hilfreiche Ratschläge, bieten aber oft nur Banalitäten
Verena Rosenkranz

Um werdenden Müttern insbesondere bei ihrer ersten Schwangerschaft zu helfen, haben mehr oder minder kluge Köpfe im digitalen Zeitalter von Computer, Tablets, Handys und Co. unzählige sogenannte „Apps“ entworfen wie Babycenter und Schwangerschaft+, die der Frau – aber natürlich auch dem Mann – über diese Zeit der Unsicherheit hinweghelfen sollen. Quasi die Online-Großmutter für die entsozialisierten Großstädter. 

Jeder mit einem modernen Smartphone kann sich besagte „Alltagshelfer“ meist kostenlos herunterladen, dann all seine persönlichen Daten preisgeben, um lediglich den voraussichtlichen Geburtstermin des Nachwuchses ausgespuckt zu bekommen. Steht dieser einmal fest, gibt es schließlich für jeden Tag der Schwangerschaft besondere Hinweise, Ratschläge und häufig gestellte Fragen von anderen Müttern in spe. Während sich die ersten Wochen noch um das vermeintlich größte Problem der kommenden Gewichtszunahme und die Vorbeugung von Dehnungsstreifen dreht, geht es langsam über zu den lang ersehnten Ernährungstips, die diesen entgegenwirken sollen. 

Tips für Diäten und die neueste Mode

Vermutlich in guter Koordination  mit der Pharmaindustrie empfehlen viele dieser Babyapps tatsächlich diverse Nahrungsergänzungsmittel in Form von Vitaminkapseln – ganz ohne medizinische Indikation. Um sich aber für den Fall der Fälle abzusichern, wird der nervösen Bio-Mama von morgen bei jeder Gelegenheit lieber ein Gang mehr zum Arzt empfohlen. 

Wird es zwischendurch langweilig, peppen einige dieser Programme ihre täglichen Ergüsse mit Lifestyle-Ideen auf und empfehlen für die Namenssuche Internetseiten mit den beliebtesten „Hipsternamen“ oder süßesten Babykostümen, wo das Neugeborene gleich zwei Tage nach der Entbindung als Fee, Hase oder Monster verkleidet und für das absolut notwendige Fotoshooting ins Szene gesetzt wird. Dann aber wieder genug mit den Späßen, schließlich wird es mit wachsendem Bauch langsam eng in der gewohnten Kleidung. 

Auch hier helfen Verweise auf die bekanntesten Modeketten, die keinen einzigen Badeanzug für die an sich recht sinnvollen Schwimmeinheiten während der kommenden Monate anbieten, aber dafür sogenannte „Skinnyjeans“ für Mamas in Lack- und-Lederoptik. Also extra enganliegende und unbequeme Teile ab Größe 34, die zumindest hierzulande wohl nicht einmal fünf Prozent aller Schwangeren hat. 

War für diesen Schwangerschaftsabschnitt nicht das Passende dabei, dann wird es mit den kommenden Einträgen ab dem dritten Trimester vielleicht interessanter, bestimmt aber amüsanter. Dort warten die ganz geheimen und intimen Fragen, die Mütter schon immer beschäftigt haben und offenbar den gesamten Alltag einer Schwangerschaft ausfüllen können. Wer glaubt, es dreht sich hier um die Geburt, die Unsicherheiten in der Zeit danach oder Ratschläge um Stillen und Pflege, der sollte eines Besseren belehrt werden. Offenbar ausgerichtet auf Erstgebärende, die im Gegensatz zu Mehrfachmüttern noch genug Zeit haben, sich derlei Ergüsse gleich nach dem Augenaufschlag morgens durchzulesen, geben die diversen Apps nun allerhand „nützliche Empfehlungen für den Alltag“. 

Darunter fällt aber nicht etwa ein Tip, wie man den Alltag mit Kindern am sinnvollsten plant, sondern wie man sich im 8. Schwangerschaftsmonat untenrum rasiert und welche Hilfestellung der Mann dabei einnehmen kann. Oder was eine Dammassage ist und wie sie auch der Partner durchführen kann. 

Glitzer, Glamour und Lifestyle

Ist das langersehnte Würmchen schließlich wider allen Prophezeiungen von Glitzer, Glamour und Lifestyle der vergangenen neun Monate unter Schmerzen, Schweiß und allerhand seltsamen Geräuschen auf die Welt gekommen, gibt es keine weiterführenden Antworten auf die Fragen, was zum Beispiel bei Blähungen des Kleinen zu tun ist, wie Ausschläge behandelt werden und wie nervöses Schreien beendet werden kann. 

Dafür gibt es nämlich jetzt „Mama-Apps“, die wieder allerhand Pseudoexpertenauskunft geben. Wichtig für den Einstieg ins Mutterdasein sind dabei Fragen wie „Darf ich High-Heels tragen?“