© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/18 / 27. April 2018

Ländersache: Sachsen-Anhalt
Von Havanna nach Halberstadt
Paul Leonhard

Für gute Geschäfte muß es gute Beziehungen geben.“ Als Antonio Luis Carricarte Corona diesen Satz sagt, nicken die anwesenden Unternehmer zustimmend. Auch der Deal, den Kubas Vize-Außenhandelsminister mit der Industrie- und Handelskammer Magdeburg ausgehandelt hat, ist nach ihrem Geschmack. Junge Leute aus der im Wandel begriffenen sozialistischen Inselrepublik sollen die Chance erhalten, in Sachsen-Anhalt zu Facharbeitern ausgebildet zu werden und – wenn möglich – anschließend in dem Bundesland ansässig werden.

Carricarte geht es vor allem um Investitionen in seinem Land, aber die Erinnerungen Tausender Kubaner an ihre Facharbeiterausbildung in der DDR ist auch gut drei Jahrzehnte später noch positiv. „Viele Kubaner haben ein positives Deutschlandbild“, weiß Magdeburgs IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang März.

Bereits vor drei Jahren hatte sich eine zehnköpfige Delegation der IHK Magdeburg bei einer einwöchigen Erkundungsreise in die Karibik davon überzeugen können. Außerdem wollte man unterbrochene Geschäftskontakte wiederbeleben und neue anbahnen. Ein Jahr später exportierten Unternehmen aus Sachsen-Anhalt bereits Waren im Wert von rund 1,9 Millionen Euro nach Kuba. 2017 erhielten allein zwei Unternehmen aus Magdeburg und Staßfurt Aufträge von 1,5 beziehungsweise 1,8 Millionen Euro. Daß der amerikanische Markt vor der Haustür den Kubanern wegen des Handelsembargos der USA gegen die Insel verschlossen bleibt, sei „schlimm für Kuba, aber eine Chance für unsere Wirtschaft“, sagt März.

Anfang dieses Jahres wurde eine weitere Vereinbarung unterzeichnet. Nachdem sich Vize-Minister Carricarte sowie ihm folgende Vertreter des kubanischen Bildungsministeriums vom dualen Ausbildungssystem in Deutschland begeistert gezeigt hatten, sollen in einem Pilotprojekt kubanische Ausbildungsinteressierte in IHK-Mitgliedsunternehmen vermittelt werden. Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels und rund 1.000 unbesetzter Ausbildungsplätze „möchten wir“, so März, „Länder wie Kuba noch stärker in den Fokus nehmen.“

Vor allem in der Gastronomie und im Handwerk wird Personal gesucht. Nach Angaben von März sind auch Unternehmen aus der Bau- und Pflegebranche von dem Pilotprojekt angetan. Es gehe aber nicht um Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich. Unternehmen, die Kubaner ausbilden wollen, müßten sich verpflichten, mindestens 750 Euro Lehrlingsentgelt zu zahlen. Erschwerend kommt hinzu, daß die potentiellen Lehrlinge ein monatliches Bruttoeinkommen von mindestens 1.410 Euro nachweisen müssen, da Drittstaatsangehörige keine Mittel aus dem Sozialgesetzbuch beziehen dürfen, so März gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk.

Den straffen deutschen Terminplan haben aber auch mangelnde technische Voraussetzungen in Frage gestellt. Als die IHK Vorstellungsgespräche per Skype angekündigt hatte, übersah sie, daß das von Kuba aus nicht möglich ist. In Magdeburg ist man trotzdem zuversichtlich, im Herbst mit der Ausbildung beginnen zu können – sollte die Deutsche Botschaft in Havanna bis dahin Visa zur Berufsaufbildung erteilt haben.