© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/18 / 04. Mai 2018

Ländersache: Baden-Württemberg
Die Koalition isch ebbes katzagrätig
Christian Schreiber

Das grün-schwarze Bündnis in Baden-Württemberg unter Führung Winfried Kretschmanns galt lange als Modellprojekt für Deutschland. Doch die Stimmung unter den Koalitionären ist seit Monaten schlecht, regionale Medien bezeichnen den Zustand gar als „verwelkend“. Bei jedem noch so nachrangigen Thema werde nach Herzenslust gestritten. Als äußerst problematisch wird das Verhältnis der jeweiligen Fraktionen zur Regierung geschildert. CDU-Landeschef Thomas Strobl gehört als Minister der Landtagsfraktion nicht an. Die wird von Wolfgang Reinhart geführt, einem erbitterten Gegner Strobls, der für Alleingänge berüchtigt ist. Nicht viel besser ist die Situation bei den Grünen. Die Fraktion ist ein klassischer Gegenpol zum eher konservativen Ministerpräsidenten, sie ist mehrheitlich von Fundis dominiert. 

Das schwache Ergebnis des Freiburger Oberbürgermeisters Dieter Salomon im ersten Wahlgang hat eine Debatte über die Orientierung der Partei ausgelöst. Nun droht der ultimative Großkonflikt im „Auto-Ländle“. Die Regierung muß eine Entscheidung treffen, ob es in Stuttgart Fahrverbote für Dieselfahrzeuge geben soll. Die Grünen-Fraktion will dies unbedingt, Kretschmann hält sich bedeckt, und die CDU ist strikt dagegen. Eine Einigung scheint aussichtslos, die Regierung könnte ultimativ vor dem Aus stehen. Und dann?  

Teile der CDU-Fraktion liebäugeln relativ offen mit einer sogenannten Deutschland-Koalition mit SPD und FDP. Der Generalsekretär der Bundes-SPD, Lars Klingbeil, sagte, Grün-Schwarz fehle eine gemeinsame Vision. „Das ist nicht gut für Baden-Württemberg.“ Doch die Genossen vor Ort sind noch unschlüssig. Ihre Partei habe eine klare Beschlußlage von 2016, wonach sie in dieser Legislaturperiode nicht mit der CDU koalieren werde, sagte SPD-Landeschefin Leni Breymaier am vergangenen Wochenende beim Landesparteitag. Die SPD sei nicht der „Reparaturbetrieb für Grün-Schwarz“. Eine Hintertür lassen sich die Sozialdemokraten allerdings offen. Sollte das grün-schwarze Bündnis platzen, könnten Neuwahlen den Weg zu einer neuen Regierung ebnen. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sagte, hinter der grün-schwarzen Fassade gebe es keinen Inhalt. Grün-Schwarz solle möglichst schnell die Bühne frei machen für eine neue Regierung. Doch da gibt es ein Problem. Ministerpräsident Kretschmann ist äußerst populär, mit Abstand der beliebteste Politiker im Land. In allen Umfragen sind die Grünen nach wie vor die stärkste Partei. 

Doch das Klima in der Regierungszentrale ist auch unabhängig von Sachfragen stark belastet. In der vergangenen Woche setzte sich die CDU-Abgeordnete Sabine Kurtz erst im zweiten Wahlgang bei der Wahl zur Landtagsvizepräsidentin durch – Teile der Grünen-Fraktion  stehen im Verdacht, ihr die Gefolgschaft verweigert zu haben. Denn zuvor hatte die Union eine von den Grünen geplante Reform des Wahlrechts platzen lassen. Außerdem wurde Kurtz fehlende Sensibilität im Umgang mit Homosexualität vorgeworfen. In dieser Gemengelage bringt sich sogar die einstige Regierungspartei FDP wieder ins Gespräch. Der Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke sagte, das grün-schwarze Bündnis sei fragil. Sollte die Koalition platzen, stünde man bereit, über eine liberale Regierungsbeteiligung zu verhandeln.