© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/18 / 04. Mai 2018

Trampeln für den Naturschutz
Landwirtschaft: Schaf- und Ziegenhalter fordern eine Weidetierprämie / Aussterbender Berufsstand?
Christian Schreiber

Während Politkarrieristinnen wie Andrea Nahles von einer „Gläsernen Decke“ faseln, die Frauen an ihrem wohlverdienten Aufstieg hindern, hat es die nur sechs Jahre jüngere Christina Schulze Föcking ohne Quote und 20 Semester Studium an die Spitze geschafft: ausgebildete Landwirtin, zwei Kinder, seit 2010 direktgewählte CDU-Landtagsabgeordnete. Bis Juni 2017 führte sie mit ihrem Ehemann einen profitablen Schweinemastbetrieb im Münsterland. Mit 40 wurde sie dann NRW-Landwirtschaftsministerin und nun turnusgemäß Chefin der Agrarministerkonferenz.

Von 250 deutschen Bauern ist noch einer Berufsschäfer

„Mir ist es ein großes Anliegen, daß Landwirtschaft und ländliche Regionen in unserem Land eine hohe Wertschätzung erfahren“, versprach Schulze Föcking im Januar. Die Leistung der Landwirte sei „unersetzbar für die Sicherung unserer Ernährung und für den Erhalt der vielfältigen Landschaften“. Das weckte konservative Hoffnungen, doch auf der Agrarministerkonferenz in der vergangenen Woche war zwischen Themen wie Afrikanische Schweinepest (JF 4/18), Digitalisierung oder Tierwohllabel keine Zeit für die Rettung eines bedrohten Standes: dem der Berufsschäfer.

2016 gab es laut Agrarstrukturerhebung zwar noch etwa 19.600 Erwerbs- und Hobby-Schafhalter mit 1,83 Millionen Schafen. In Großbritannien und Spanien liegt der Schafbestand bei 24 Millionen, in Rumänien bei neun sowie in Frankreich und Griechenland bei acht Millionen. Die Zahl der deutschen Berufsschäfer liegt nur noch bei 989, das sind 13 Prozent weniger Betriebe als 2010. Von 250 deutschen Bauern ist nur noch einer Berufsschäfer. Die Zahl der Wanderschäfereien, die auf jahrhundertealten Routen quer durch Deutschland ziehen, liegt sogar nur im zweistelligen Bereich. Hohe Arbeitsbelastung und nervende Bürokratie bei bescheidenem Einkommen – das schreckt den Nachwuchs ab. Hinzu kommen die Gefahren des Straßenverkehrs und die Rückkehr der Wölfe (JF 11/18), die ungehindert immer mehr Tiere reißen.

„Die Schäferei ist eine der letzten weitestgehend artgerechten Nutztierhaltungen in Deutschland“, sagt der Wanderschäfer Sven de Vries. „Auf unseren Sommerweiden leisten wir durch die Pflege selten gewordener Biotope einen unschätzbaren Wert für die Biodiversität, und die Beweidung von Deichen ist eine schonende und naturnahe Form des Hochwasserschutzes. Die Schäferei ist einer der ältesten und traditionsreichsten Berufe, die es noch gibt, und trotzdem sind wir eine hoch aktuelle Form der Landwirtschaft, der es gelingt, Tierwohl, Naturschutz und landwirtschaftliche Produktion weitestgehend miteinander zu verbinden.“

Deshalb hat de Vries zu Jahresbeginn eine Initiative zur Rettung der letzten Schäfer gestartet: Über 145.000 Unterstützer hatten die Petition an die Agrarministerkonferenz vergangenen Donnerstag schon unterschrieben – das war mehr als die Petition zum Kohleausstieg (49.500) oder zum Stopp der Auslieferung des Katalanen Carles Puigdemont an Spanien (51.700). Die deutschen Schäfer fordern konkret eine Weidetierprämie von 38 Euro pro Mutterschaf und Jahr.

Das soll eine Art Grundeinkommen schaffen, erklärt Thomas Golz vom Bundesverband der Berufsschäfer. Die Prämie entlohne die Schäfer für ihre gesellschaftliche Leistung im Natur- und Landschaftsschutz. Bislang erhalten deutsche Schafhalter 300 Euro pro Hektar beweideter Fläche im Jahr. Auch aus Sicht der EU-Kommission sei die „Weidetierprämie das beste Mittel für den Erhalt der extensiven Weidetierhaltung“, argumentiert Sven de Vries.

Für Ministerin Schulze Föcking ist die Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU und die Nutztierhaltung erklärter Schwerpunkt ihrer Arbeit. Sie verspricht den „Tierhaltern einen verläßlichen, planungssicheren und wirtschaftlichen Weg“. Bei den Schäfern reicht hierzu ein Blick über die Grenze: 22 von 28 EU-Staaten fördern ihre Schäfer mittels Weidetierprämie mit insgesamt etwa 500 Millionen Euro jährlich. In Deutschland wäre ein zweistelliger Millionenbetrag für diese Direktzahlungen fällig – das wäre weniger als der Erhalt des bislang nicht eröffneten Hauptstadtflughafens BER die Steuerzahler pro Monat kostet.

Petition zur Weidetierprämie: www.berufsschaefer.de

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